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Wahrlich ein Monumentalwerk

Die Bibel als Drama im Theater Nordhausen

Das Theater Rudolstadt zeigt die Bibel und das ist schon Ben Hur für die Bühne. Mit 225 Minuten liegt das aberwitzige Unternehmen sogar noch 3 Minuten über den Filmklassiker von 1959. Aber keine Angst, diese Inszenierung ist alles andere als aufgewärmtes Sandalenkino. Regisseur Alejandro Quintana schafft es, antike Hintergründe und Zusammenhänge deutlich zu machen, die zum Teil heute noch wirken. Dabei macht er es dem Publikum und dem Ensemble nicht immer einfach.

Der Einstieg ist noch leicht verdaulich. Das Licht wird eingerichtet. Der Ton vorbereitet. Ein paar Männer gehen kreuz und quer über die Bühne. Für sie ist die Erschaffung quasi wie eine Theaterprobe. Diese Szene hat noch einen gewissen Witz.

Es ist ein aberwitziges Unterfangen, die Bibel auf die Bühne zu bringen bringen. Der Autor Niklas Rådström bewältigt dieses Monument indem er das Buch in 41 Szenen zerlegt, die er für wegweisend und andauernd hält. Eine Glaubens- und Geschichtsrevues. Das Theater Rudolstadt ist mit der deutschsprachigen Erstaufführung durchaus ein Risiko eingegangen.

Am Anfang war die Erkenntnis, dann kam der
Sündenfall.           Alle Fotos: Theater Rudolstadt
Die Inszenierung von Alejandro Quintana beeindruckt zuerst durch Superlative für mittelthüringische Verhältnisse. 20 Schauspielerinnen und Schauspieler bewältigen 114 Rollen. Einige haben sogar das Vorrecht, bleibende Punkte zu setzen.

114 Rolle und 41 Szenen ist natürlich auch eine Herausforderung an das Bühnenbild. Mit Reduktion ermöglicht es Mathias Werner, sich auf das wesentliche zu konzentrieren und die Worte wirken zu lassen und Text hat dieses Drama jede Menge zu bieten, manchmal gar zu viel. Es gibt durchaus Potential, dieses WErk zu straffen.

Wird der Sündenfall, das Naschen vom Bam der Erkenntnis noch zum kurzweiligen philosophischen Disput über den Zusammenhang von Erfahrung, Wissen und Gotteskonstrukt so bietet die Erschaffung von Mann und Frau noch Platz für theologische Abwägungen. Aber über weite Strecken schimmert doch der Konfirmandenunterricht durch. Da gibt es durchaus noch dramaturgisches Potential.

Auch wenn nicht jede einzelne Szene eine tragende Funktion hat, so bietet diese Inszenierung einen roten Faden. Der lautet vor allem Gewalt. Schonungslos geht Quintana mit den immer wiederkehrenden Themen Berufung, Auserwählt-Sein, Eroberung, Vertreibung und Vernichtung. Und dann ist dann immer wieder das Motiv der Flucht, des Heimat verlierens. Das geht bis heute so weiter.

Immer auf der Flucht. Foto: 
Dabei kommt dem jüdischen Volk durchaus ach die Rolle des Täters zu. Selbst Moses wird in seinem Zorn zum Massenmörder. Schon bald wird deutlich, dass Autor und Regisseur hier die Wurzeln für den Nahost-Konflikt sehen. Das ist nicht die einzige Stelle, an denen die Historie in Gegenwart und Zukunft weist. Die unheilvolle Verquickung von Religion und Politik wird immer wieder in den Vordergrund und damit in Frage gestellt.

Der Bund zwischen dem Gott und seinem Volk muss immer wieder erneuert und mit Blut besiegelt werden. Damit wird der Paradigmenwechsel mit dem Neuen Testamen umso tiefer. Dieser Zusammenhang zu verdeutlichen, dies ist die Leistung dieser Inszenierung.

In seiner schonungslosen Auseinandersetzung mit der Bibel geht Quintana dabei auch an die Grenzen des guten Geschmacks. Moses Abschied als monumentale Rede mit faschistoiden Anklängen zu inszenieren, das ist durchaus mutig. Oder geschmacklos.

Quo vadis, Theater? Wohl offensichtlich in viele Richtungen, denn in dieser experimentierfreudigen Inszenierung setzt Alejandro Quintana auf die Vielfalt modernen und zeitgemäßen Theaters. Sprechtheater reiht sich neben Ballett und Figurentheater und Pantomime. Das ist durchaus gelungen und überzeugt durch den Einfallsreichtum.

Den brennenden Busch bei der Berufung Moses in ein Radio zu verwandeln, das hat durchaus einen gewissen Witz. Auch mal die Tiere auf Noah Arche zu Wort kommen zu lassen, das hat was. Adam und Eva in einen ehelichen Disput zu verwickeln überzeugt, weil es über den Tag hinausweist. Die babylonische Gefangenschaft als Konsumwahn zu symbolisieren, das ist offene Gegenwartskritik.

Die Inszenierung hat einen eigenen Erzählrhythmus. Hektik wechselt sich ab mit lyrischen Momenten der Einhalt. Gewalttätigkeit wird mit Verzweifelung kontrastiert. Den Massenszenen stehen prägnante Solo-Auftritt gegenüber. Dazu gehört sicherlich der Monolog von Lots Frau. Ute Schmidt sorgt hier für die Momente des gebannten Zuhörens. Leider sind diese Augenblicke in dieser Aufführung selten. Das Ensemble bewegt sich oft an der oberen Grenze des stimmlich Möglichen.
So sieht Berufung aus: Der Empfänger brennt.

Die wiederkehrenden Auftritte von Adam und Eva sind die dramaturgische Klammer. Sie erinnern stets an den Urzustand des in die Welt geworfen. Sie verlieren sich, denken aneinander und finden sich auf unterschiedliche Weise neu. Anne Kies als Eva beziehungsweise als Frau und Johannes Geißer als Mann beziehungsweise Adam bleiben die prägende Kombination an diesem Abend.

Ansonsten hat Quintana die tragenden Rollen dem bewährten Personal überlassen. Markus Seidensticker darf als engelhafter Conferencier durch die Vorstellung führen. Gewalt und Witz meistert er gleichermaßen. Matthias Winde glänzt als Moses und Joachim Brunner als General. Verena Blankenburg kann als Elisabeth Akzente setzen. Hans Burkia präsentiert einen Noah, der ganz diesseitig ist und Spaß am Leben hat.

 Die Bibel auf die Bühne zu bringen ist ein aberwitziges Unterfangen. Mit dieser Inszenierung haben das Theater Rudolstadt und der Regisseur Alejandro Quintana es gewagt. Es ist ihnen zum größten Teil mehr als gelungen. Es bleiben Gespräcjsbedarf und jede Menge eindrucksvolle Bilder.





Material #1: Sandalenkino

Theater Nordhausen #1: Das Stück
Theater Nordhausen #2: Der Spielplan


Theater Rudolstadt #1: Der Spielplan
Theater Rudolstadt #2: Das Stück

Der Autor #1: Niklas Rådström bei wikipedia

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