Dienstag, 19. März 2019

Heldinnen in Cargo-Hosen

Ein nachdenklicher "Julius Cäsar" am Theater Nordhausen

Händel mal ganz anders und doch sehenswert. So präsentiert sich derzeit "Julius Cäsar" am Theater Nordhausen. Die Absolventen der Hochschule "Felix Mendelssohn Bartholdy" zeigten bei der Premiere eine reife Leistung. Schon vor dem Schlussvorhang gab es reichlich Applaus.

Julius Cäsar hat die Schlacht von Pharsalos gewonnen. Sein Feind Pompeo ist auf der Flucht. Der Sieger wird in Alexandria erwartet. Männer in Tarnfleck und Security-Look mit Knopf im Ohr hasten über die Bühne, stellen Stuhlreihen auf und platzieren ein Rednerpult. Die Siegesfeier wird vorbereitet und das Jubelvolk wird wie Stimmvieh auf die Bühne getrieben.

Dann darf der Chor zum Lobgesang ansetzen. Er agiert als Versammlung der Einzelnen und zeigt ein wunderbar transparentes  Klangbild. Sänger und Sängerinnen bleiben klar erkennbar. Davide Lorenzato hat in der Einstudierung hervorragende Arbeit geleistet.

Der Imperator und das Jubelvolk.
Alle Fotos: Siegfried Duryn
In der ersten Szene scheint Matthias Oldag stark von jener Salzburger Inszenierung beeinflusst, die 2012 einen Diskurs über die Moderne in der antiken Oper auslöste. Doch der Regisseur aus Leipzig löst sich schnell von dieser Vorlage. Nur noch einmal zitiert er jene Inszenierung. Seine Interpretation geht über Salzburg hinaus.

Mission accomplished ist im Hintergrund zu lesen Der Auftritt Cäsar wird zur Show. Es werden Bilder wach, die man schon hundertfach im Fernsehen gesehen hat. Auch das Treffen mit dem ägyptischen König Tolomeo bemüht die Stereotypen der medialen Inszenierung. Es fehlen einzig das Blitzlichtgewitter und die Kameras im Zuschauerraum.

Leider erfüllt der erste Auftritt von Lars Conrad in der Titelrolle nicht alle Erwartungen. Er klingt noch ein wenig dünn. Aber Conrad singt sich noch warm und kann schon später mit rührenden Arien und Duetten beeindrucken. Doch ein Heldentenor ist er nicht. Mit seiner lyrischen Interpretation und und den butterweich gesetzten Tönen passt er genau in diese Aufführung, die männliche Riten zur Disposition stellt. Irgendwann wird klar: Als Imperator hat man es nicht leicht. Manchmal ist man damit einfach überfordert.

Max Dollinger ist da aus anderem Material. Glasklar setzt er seine Arien. Allein schon aus den Gründen des Kontrastes wünscht man sich mehr Einsätze des Curio. Doch es bleibt Wunschdenken. Den Kontrast muss Frieder Flesch als Achillas leisten. Doch diese Figur ist in ihrer Brutalität alles andere alles ein Publikumsliebling. Doch mit dieser Darstellung reiht sich Flesch ein in die Liste der überzeugenden Leistungen.

Schmerz in Person: Susana Boccato
als Cornelia.      Foto: Duryn
Den Höhepunkt in der ersten Szene setzt aber Susana Boccato als Cornelia. Ihr Vortrag steckt voller Emotionen und echten Schmerz und ihre Koloraturen setzen an diesem Abend die Maßstäbe. Sie kann aber auch feinfühlig. Das Duett im zweiten Akt mit Eva Zalenga als Sextus ist der erste Gänsehaut-Moment an diesem Abend.

Doch die Herrscherin der Bühne ist eindeutig Yeeun Lee als Kleopatra. Ihr Sopran ist nicht nur von einer beeindruckenden Dynamik, er bleibt dabei auch klar und frei von Spitzen. Ihre Koloraturen sind denen von Boccato mindestens ebenbürtig und jede Einzelne ein Erlebnis.

Leider fällt ihr Auftritt und ihr Werben um Cäsar an einige Stellen sehr aufdringlich aus. Manchmal meint man, nicht die ägyptische Thronanwärterin sondern die König des Rotlichtviertels zu erleben. Aber diese Kleopatra zieht eben geschickt die Fäden, bis sie das bekommt was sie will: Die Herrschaft und den Herrscher. Es sind die starken Frauen, die diese Aufführung bestimmen.

In den Duetten mit Lars Conrad versteht Yeeun Lee es, sich zurückzunehmen, und dem großen und zarten Gefühl der Liebe den nötigen Raum zu lassen. Schließlich ist dies eine Aussage dieser Inszenierung: Am Ende obsiegt die Liebe, egal in welcher Form, über die Gewalt.

Als Julius Cäsar 1724 die Uraufführung erlebte, war Händel auf dem Höhepunkt seines Opernschaffens. Dieses gilt seither als Paradebeispiel einer Heldenoper. "Julius Cäsar" hat alles: Krieg und Frieden, Hiebe und Liebe und jede Menge große Gefühle. Das ganze Leben halt. Das findet man hier in seiner Fülle wieder und gut transportiert.

Bei Oldag sind es Heldinnen, die vorzugsweise Cargo-Hosen tragen und die Geschichte voranbringen. Die Männer enden meist blutig. Aber der Kern bleibt vital und deswegen ist es eine lohnende

Diese Verschiebung setzt das Loh Orchester um. Unter der Leitung von Henning Ehlert  zeigt es ein eher zurückhaltendes Spiel, dass auf die mächtigen Töne meist verzichtet. Stattdessen ist das Klangbild transparent und filigran. Die feinen Strukturen im Zusammenspiel und Händels Ideenreichtum bleiben erkennbar.

Held mit Burnout.
Alle Fotos: Siegfried Duryn
Kongenialer Partner der Inszenierung ist das Bühnenbild von Barbara Blaschke. Auf zwei mobile Wände in L-Form reduziert, baut es nicht nur einen starken Kontrast zur barocken Vielfalt. Mal rostiger Stahl, mal goldener Wandbehang In unterschiedlichen Drehungen und Wendungen und mit gekonnten gesetzten Licht erschafft es eine Welt, die aber begrenzt bleibt. So erleichtert es die Interpretation in allen Szenen und erweist sich als kongenialer Partner.

Das Ensemble aus Leipzig legt mit dieser Inszenierung eine reife Leistung vor. Es war sicherlich ein Wagnis, jungen Sängerinnen und Sänger solch eine Aufgabe zu stellen. Aber alle Darsteller haben trotz der Jugend den Geist des Werks gespürt. Sie erledigen mehr als reine Darstellung. Für drei Stunden leben sie den Julius Cäsar und deswegen wird es nie langweilig.






Material #1: Julius Cäsar in Ägypten - Die Oper
Material #2: Georg Friedrich Händel - Die Biographie

Material #3: Julius Cäsar - Die Inszenierung
Material #4: Theater Nordhausen - Der Spielplan

Material #5: Felix Mendelssohn Bartholdy - Die Hochschule







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