Futter fürs Kino im Kopf
Ein Stück Filmgeschichte als Buch: Die “Goldfinger Files” sind erschienen
192 Seiten und 2,5 Kilo für 6 Minuten 37 Kinokunst. Mit “The Goldfinger Files” haben Steffen Appel und Peter Waelty ein Werk vorgelegt, das sich um eine Legende der Filmgeschichte dreht, die Schweizer Episoden aus dem Bond-Film „Goldfinger“. Dabei setzt das Buch selbst neue Maßstäbe.
Den Autoren ist mit den „Goldfinger Akten“ eine beispielhafte Mischung aus Detailwissen und dem Blick fürs Ganze gelungen. Cineastische Fakten werden in die zeit eingeordnet, in den gesellschaftlichen Kontext gestellt und Entwicklungen aufgezeigt. Letztendlich steht so die Figur des James Bond für die vielfältigen Umwälzungen der 60-er Jahre.
Dazu kommt die gelungene Präsentation. Die Texte sind auf das Mindestmaß reduziert. Ein Buch über einen Film braucht Bilder und mit 346 Abbildungen gibt es reichlich davon. Dabei schöpfen Appel und Waelty aus einem reichen Fundus. Es sind Fotos der Journalisten Hans Gerber, Josef Ritter und Ernst Kocian ebenso wie die privaten Aufnahmen der Statisten, Hoteliers und der Filmcrew. Dazu kommen Repros aus dem Drehbuch.
Das Format von 27 mal 33 bietet vor allem als Doppelseite reichlich Platz, und Gerd Steidl und sein Team haben ihn bestens genutzt. Seiten füllende Bilder zeigen die einmalige Landschaft und gewähren intime Blicke auf die Darsteller. Sean Connery gibt sich geradezu euphorisch. Ahnt er etwas?
Der gut eingesetzte Weißraum vermittelt eine Ahnung von den sonnigen und heiteren Tagen am Oberalppass im Juli 1964. Das ist Kino fürs Kopf und macht aus dem Betrachter einen Zeitzeugen. Mehr geht nicht.
Der gut eingesetzte Weißraum vermittelt eine Ahnung von den sonnigen und heiteren Tagen am Oberalppass im Juli 1964. Das ist Kino fürs Kopf und macht aus dem Betrachter einen Zeitzeugen. Mehr geht nicht.
Das Buch gibt nur 6 Minuten 37 “Goldfinger” wieder. Aber das Werk ist der Blick in eine vergangene Zukunft. Bond-Filme gibt es 25, doch “Goldfinger” gilt immer noch als der beste. Erst mit dem dritten Streifen erreichte die Serie den Kultstatus.
Das liegt an den Hauptdarstellern Sean Connery und Gerd Fröbe. Aber auch daran, dass die Figur des Agenten Bond hier endlich ausgeformt ist. Mit “Goldfinger” wird er zum Idol. Dieser Film eröffnete neue Dimensionen und er ist immer noch einer der umsatzstärksten der gesamten Serie.
Der Aufbau
Das Buch ist nach Drehtagen sortiert. In sieben Kapiteln gibt es Einblicke in die Arbeit am Set, aber noch viel mehr vom Drumherum. Dabei zeigen Appel und Waelty zwei widersprüchliche Phänomene.
“Goldfinger” war bahnbrechend auch in Sachen Product Placement und Professionalisierung.
“Goldfinger” war bahnbrechend auch in Sachen Product Placement und Professionalisierung.
So verdrängte Ford kurz vor Drehbeginn Triumph als Gefährt für den Racheengel Tilly Masterson. Der Film wurde zu der Bühne für den gerade erst angelaufenen Mustang. Der Deal war so kurzfristig, dass das Drehbuch nicht mehr geändert werden konnte.
Die Schweizer Behörden zeigten sich äußerst kooperativ. Sie wollten den Film als Imagepolitur nutzen. Schließlich galten die Eidgenossen als Eigenbrötler und Geheimniskrämer.
Dieser Vermarktung stehen Drehbedingungen gegenüber, die heute bestenfalls als “unprofessionell” gelten. Von Abschottung und Geheimniskrämerei keine Spur. An allen Drehtagen waren Fotografen am Set und dokumentierten fleißig. Journalisten führten zwischen den Szenen schnell mal Interviews mit den Stars und abends feierte man gemeinsam im Hotel Bergidyll. Die Strategie ging jedenfalls auf. Schon vor dem Kinostart war die Berichterstattung enorm.
Mit Tilly Masterson tritt auch ein neuer Typus Frau auf. Sie ist die erste, die nicht bei Bond im Bett landet. Stattdessen arbeitet am eigenen Plan. Das war wohl selbst für die 60-er Jahre zuviel und deswegen stirbt sie den Filmtod.
Appel und Waelty machen eine weitere Innovation deutlich. Mit Auric Goldfinger betritt ein neuer Typ Bösewicht die Filmszene. Er will nicht erobern oder zerbomben. Seine Machtbasis ist die Spekulation und seine Waffe die Wette gegen Währungen. Damit bekommt die Bond-Serie das Motiv der Weltherrschaft über den Tatort Börse und Bond den einzigen ernst zunehmenden Gegner. Der Macht des Reichtums kann selbst das britische Empire nicht standhalten. Der Dialog "Do you expect my to talk?" - "No, Mr Bond. I expect you to die." ist knapp vor der Realisierung
Für Connery war “Goldfinger” ein großer Schritt nach vorn. Fröbe untermauerte seinen Ruf als Charakterdarsteller. Aber für Tania Mallet in der Rolle der Tilly Masterson war es die Endstation. Sie verzichtete auf weitere Filmrollen. Als Model verdiente sie damals ein Vielfaches der Film-Gage. Damit sind die “Goldfinger Files” ein Erinnerungsstück an eine verpasste Chance. Connery und Fröbe wurden Götter, Mallet verstarb letztes Jahr weitestgehend unbeachtet.
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