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Irgendwie gehört es zum Advent dazu

Silberhochzeit: 25 Jahre Amarcord im Kreuzgang

Amarcord und Walkenried, das ist wie Tim & Struppi, Stan & Laurel oder Fred & Ginger. Vor 25 Jahren ist das Ensemble aus Leipzig zum ersten Mal bei den Kreuzgangkonzerten aufgetreten. Seitdem konzertiert das Quintett immer wieder im Kloster und weiß den Ort und das Team zu schätzen. Das bracht Wolfram Lattke in seiner Begrüßung mehrfach zu Ausdruck.

Auch beim Auftritt am Dienstag gab es ein bewährtes Programm. Sakrale Weihnachtsmusik vor der Pause, heitere Weihnachtsmusik nach der Pause. Damit konnten die bekennende Leipziger mal wieder überzeugen. Erst nach der einkalkulierten Zugabe wurde das Ensemble vom Publikum entlassen.

25 Jahre ist auch eine Silberhochzeit und die hat man im Kreuzgang gefeiert. Die Zuhörer und Zuhörerinnen wissen, was sie an diesem Abend erwartet und Amarcord liefert. Einige Teile des Programms sind aus den Vorjahren bekannt und wo andere Vokalensembles wie Viva Voce das Experiment wagen, setzen die Leipziger auf Bewährtes.  

Es ist natürlich auch eine kongeniale Partnerschaft, denn der gotische Bau ist wie geschaffen für diese Stimmen. Der Gesang bedarf keiner elektrischen Verstärkung und trotzdem füllen die Stimmen das hohe Gewölbe und durchfluten auch die Seitengänge. Also Augen zu und einfach davontragen lassen von so viel Wohlklang.

Mittlerweile beginnt die Adventszeit im Südharz erst so richtig mit dem Gastspiel der Leipziger im Kreuzgang Das Programm bietet in diesem Jahr eine ungewohnte Perspektive. Amarcord betrachtet das Weihnachtsfest aus Sicht der Hirten. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie das Konzert im Reigen aus dem Seitenflügel heraus beginnen. Im diesem Teil das Abends dominiert Musik aus der Renaissance und dem Barock und selbst die wenige Werke aus der Jahrhundertwende klingen nach dem Welt ging verloren aus der alten Musik.

Also darf ein Countertenor nicht fehlen. Leider wirkt  Wolfram Lattke schon im "Quem pastores laudavere" sehr dominant. Das ist kein Programmfehler, sondern  der Physik geschuldet, denn hohe Frequenzen sind einfach energiereicher.

Die hohe Gesangskunst präsentiert Amarcord mit einem bewährten Weihnachtslied. Im "Vom Himmel hoch, da komm ich her" aus Luthers Hausmusik wird jede Zeile in einem anderen Satz gesungen. Mal als Kanon, mal im Satzgesang und jede Umschalte sitzt und keine Note wackel. Das ist Weltklasse. 

Gleiches gilt für das "El Jubilate" von Mateo Flecha. Auch diese musikalisch Ensalada verlangt schnelles Umschalten und den  den schnelle Wechsel zwischen den Stimmlagen Die Meisterschaft der Leipziger basiert auf exzellenter Ausbildung und jeder Menge Routine. Überhaupt zeigt der kurze spanische Block mit Flecha und einem katalonischen Volkslied, dass man sich dem Weihnachtsfest auch froh und munter nähern kann.

Mit dem anschließenden "Wie soll ich dich empfangen" von Hans Haßler nehmen die Leipziger   wieder das Tempo raus. Aber nicht ein Wort überquert hier die Lippen der Sänger. Das Lied wird auf Weltniveau gesummt. Lattke begründet diesen künstlerischen Kniff mit der Sprachlosigkeit, die das Ensemble angesichts der aktuellen Ereignisse ergriffen hat. 

Auch an der Pause herrscht Besinnlichkeit. Amarcord braucht einen langen Anlauf, um Tempo und Stimmung anzuheben. Erst Cha-Cha-Cha von der Mamacita und der Frage nach dem Weihnachtsmann durchbricvht das Schweigen im Publikum. Dann darf auch Elvis Presley noch seinen Beitrag zu Weihnachten. 

Mit dem irischen "Christmas in Candy" erreicht das Konzert dann den gehobenen Klamauk und Amarcord zeigt, dass man mit den eigenen Stimmen nicht nur Singen sondern auch Instrumente imitieren kann. Frank Ozimek bietet sogar eine Tanzeinlage im Stil irischer Steptänzer. Vielleicht sollten die Leipziger beim nächsten Auftritt bei den Walkenrieder Kreuzgangkonzerten ihrem komödiantischen Talenten schon früher freien Lauf lassen. 



Das Programm der Kreuzgangkonzerte 2024 erscheint im Frühjahr.



        


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