Direkt zum Hauptbereich

Der Geist der Weihnacht

Güttler Ensemble feiert fröhliche Weihnachten im Kreuzgang

Freue dich, oh Zuhörerschaft. Mit dem Auftritt bei den Kreuzgangkonzerten in Walkenried machten Ludwig Güttler und sein Blechbläser-Ensemble deutlich, dass Weihnachten vor allem ein Fest der Freude ist. Es gab Barockmusik im Überfluss und ein dankbares Publikum.

Der Auftakt ist mächtig. Bei der "Trumpet and Air" von Henry Purcell trifft die volle Wucht der 11 Blechbläser und der Pauke die Zuhörer. Schlagartig ist der hohe Raum im Kreuzgang mit Tönen gefüllt. Es ist aber keine Flutwelle sondern die Dynamik trägt das Publikum zu musikalischen Höhen empor.

Schon hier wird deutlich, was die Klasse dieses Ensembles ausmacht: Der glasklare Klang und das exakte Zusammenspiel. Trotz des mächtigen Volumens bleibt jedes einzelne Instrument erkennbar. Das Klangbild ist fein gewebt und transparent. Solch Musik wurde für solch Klangräume wie den Kreuzgang geschrieben. Vortrag und Architektur gehören zusammen.

Noch schaut der Meister kritisch.
Alle Fotos: Thomas Kügler
Die agilen Trompeten stehen mit Wechselspiel mit den jubilierenden Posaunen. Gemeinsam entwickeln sie das Thema weiter. Das ist Barockmusik aller höchster Güte.

Dabei bleibt Ludwig Güttler aber ein Primus inter Pares. Er führt von links Regie und sein Dirigat bleibt beschränkt sich auf wenige Einsätze und bleibt sehr reduziert. Das entspricht nicht nur der historischen Praxis. Es ist auch Ausdruck der Homogenität der Musiker. Erst kurz vor Schluss gönnt sich der Star ein Solo.

Güttler ist immer noch ein Perfektionist. Immer wieder setzen sich die Musiker um. Es geht darum, zu jedem Stück den perfekten Klang zu finden. Das gibt dem Konzert ein wenig Werkstattcharakter.

Vier Partiten stehen an diesem Abend auf dem Programm. Vier Abhandlungen zu einem Thema. Da blitzt noch mal  der Werkstattcharakter durch. Die erste Partita widmet sich "Nun kommt der Heiden Heiland". Die Stimmung kippt ins besinnliche, doch der Schwung bleibt. In den Chorälen von Johannes Crüger agieren die Bläser zum ersten Mal wie ein Chor. Im Kanon übernehmen die Instrumente die Funktion der menschlichen Stimmen. Das erzeugt Gänsehaut-Momente.

Die zweite Partita geht über "Wie soll ich dich empfangen, Tochter Zion" und kehrt mit der Allemanda von Vivaldi zurück in den Freude-Modus. Besonder Guido Ulfig gelingt es an der Posaune, dieses typische kurze und exakte Anspielen der Töne an der Posaune umzusetzen. ein Auszug aus Händels "Judas Maccabaeus" markiert den Höhepunkt. Die Posaunen greifen die thematische Vorgabe der Trompeten auf, variieren sie und geben sie zurück. Dann kommt die Reprise. Im transparenten Wechselspiel entsteht ein fröhlicher Tanz. Händel funktioniert also auch mit Blech, viel Blech. Zu Abschluss dürfen die Bläser im zweiten Choral von Crüger wieder singen.

Barockes Blech ohne Bach? Das geht gar nicht und deswegen steht vor der Pause noch die Motette "Lobet den Herren alle Heiden" von Johann Sebastian Bach auf dem Programm. Es wird der Höhepunkt des Abends. Alles Bläser setzen die so typischen Läufe wunderbar um. Es entsteht ein kaskadierender Klang, der das Publikum nicht nur umspült, sondern durch die Seele geht. Güttler und seinem Ensemble gelingt es eindrucksvoll, die tiefe Spiritualität Bachs in Töne umzusetzen. Das Publikum wird mitgerissen und applaudiert schon zur Pause stürmisch.

Ebenbürtig: Guido Ulfig und Erich Markwart.
Foto: Thomas Kügler
Der zweite Teil des Abends hält einige Überraschungen bereit. Auf dem Programm steht unter anderem eine Allemande und Courante für zwei Pauken aus der Feder von Ludwig Güttler. Der Vortrag von Christian Langer setzt immer wieder Pausen an überraschenden Stellen, die im Publikum die Neugier auf mehr wecken.

Der Spiritual "Mary an' Martha jes' gone long" von Adolf Busch durchbricht nicht nur den heiteren Charakter des Abends. Er zeigt auch, wo Leonhard Cohen sich die Anregung für sein allgegenwärtiges "Hallelujah" geholt hat.

Dann spielt Güttler im Choral von Praetorius sein Solo. Erich Markwart antwortet ihm mit dem Waldhorn, während die einsetzenden Posaunen dann die Basis für das Wechselspiel der beiden Ausnahmemusiker bilden.

Die letzte Überraschung ist vokaler Art. In der Zugabe legt das Ensemble die Instrumente beiseite und erfreut mit Chorgesang. Es ist längst schon klar, dass die Vorweihnachtszeit nicht in Besinnlichkeit ertrinken muss. Das Fest ist vor allem ein Freudenfest.



Material #1: Kreuzgangkonzerte Walkenried  - Die Website

Material #2: Ludwig Güttler - Die Biografie
Material #3: Ludwig Güttler - Die Website

Material #4: Er war schon mal da - weitere Kritiken






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

Vier Cellisten beim Kammerkonzert im Kunsthaus Wer Piazzolla spielt, kann kein schlechter Mensch sein. Schon gar nicht, wenn´s gleich zweimal Piazzolla ist. Bis es soweit ist, darf das Publikum einige andere Highlights beim Kammerkonzert der vier Cellisten im Kunsthaus Meyenburg erleben. Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause gibt es bedächtige Romantik, nach der Pause wird es rhythmusbetont. Kein Grund zur Besorgnis: Das Cello schafft das schon. Das Instrument und das Ensemble bringen dafür ausreichend Potential mit. Erst klassisch, .... Den Auftakt macht Joseph Haydn und sein "Divertimento in D-Dur". Dies hat er einst für eben die Besetzung des Abends geschrieben, für vier Celli. Im zweiten Satz ist das Quartett das erste Mal gefordert. Das Allegro di molto verlangt ein präzises Zusammenspiel, damit der Dialog der Instrument funktioniert und er funktioniert. Im Allegretto des anschließenden Menuetts zeigt Sebastian Hennemann, dass ein Cello tanzen und hüpfen kann...

Hier zerbricht mehr als nur ein Krug

Beichl verschiebt Kleist in die Gegenwart  Der Meister des Klischees und der Plattitüden überrascht positiv. Mit seinem "Zerbrochenen Krug" am Deutschen Theater Göttingen legt Moritz  Beichl legt eine Inszenierung vor, die Themen zu Tage fördert, die ansonsten unter dem Deckel das Schwanks verborgen bleiben. Damit macht er aus dem Klassiker der Aufklärung ein Stück für die Gegenwart. Premiere war am 7. Dezember. Dabei kann er auf starke Besetzungen in den Nebenrollen bauen. In Bastian Dulitsch als Gerichtsschreiber Licht und Leonard Wilhelm als  Bauernsohn Ruprecht Tümpel überzeugen mit starken Darstellungen von Menschen, die sich auf ihre Weise gegen das ancien régime wehren und damit erfolgreich sind. Am Ende steht eine neue Ordnung, die menschengemacht ist. Denn letztendlich siegt die Macht der Liebe über die Selbstherrlichkeit des Dorfrichter Adam. Als Intro wird auf den Gaze-Vorhang ein Video-Clip projiziert, in dem sich Eve und Rupprecht knutschen und kusch...