Direkt zum Hauptbereich

Grube Büchenberg: Ein Schatz für das Bücherregal

Macht eine Ausstellung draus!


In der theater- und konzertfreien Zeit kümmere ich mich mal um ein anderes Stück Harzer Kultur.


Kann man die ganze Welt in einem Satz erklären? Wohl kaum. Kann man den Harzer Bergbau in einem Buch erklären. Wolfgang Schilling und sechzehn Co-Autoren haben den Versuch unternommen, zumindest das Revier am Büchenberg und seine Schächte in all ihren Facetten zu erklären.
Diesen Schatz zu heben, das verlangt
einige Zeit. Fotos: Westermann
Das Bergwerk bei Elbingerode war die größte Eisenerzgrube im Harz. Nach einer langen und wechselvollen Geschichte wurde der Betrieb 1969/70 quasi über Nacht eingestellt. Geblieben ist ein Schaubergwerk, das heute nicht einmal 10 Prozent der ehemalige Grube erfasst. Begonnen hat die Montangeschichte im Büchenbergrevier irgendwann zwischen dem späten 8. und dem mittleren 10. Jahrhundert. In diesem mehr als tausend Jahren ist jede Menge Material zusammengekommen und haben sich viele Seitenstränge aufgetan. Diese alle abzuarbeiten, das war ganz offensichtlich der Ehrgeiz der Autoren.So muss Wolfgang Schilling im Vorwort eingestehen, das die Fülle kaum überschaubar war. Herausgekommen ein Werk, dass auf 308 Seiten die kleine eigene Welt im Büchenbergrevier in allen Aspekten beleuchtet. Liebevoll gestaltet und hochwertig produziert ist das  Schwergewicht ein papierner Schatz, der bibliophilen Ansprüchen Genüge tut. Dieses Schwergewicht in den Händen zu halten und zu blättern, ist schon Freude pur.
Doch eine weitere Frage ist: Wer ist eigentlich Adressat?An wem richtet sich das Buch? In zehn Kapiteln, angefangen mit geologischen Fragen und hin bis zur künstlerischen Aufarbeitung der Montanhistorie, bleibt sicherlich kein Aspekt unbedacht. Aber das ist auch die Gefahr und an einigen Stellen fragt sich der Leser: “Hätte man daraus nicht 2 oder gar drei Bücher machen sollen?”
Wie es nun einmal so ist bei einer Anthologie. Ein Autor geht in die Breite, ein anderer bringt es pointiert und machner scheitert an den eigenen Ansprüchen. Allen ist gemeinsam, dass sie sich einer Sprache bedienen, die die Fachausdrücke vergangener Montanzeiten aufgreift und im Fachjargon verbleibt. Der Leser, der sonst der Oberfläche verhaftet ist, muss sich in diese Welt erst hineindenken und wieder muss die Frage nach dem Adressaten gestellt werden.
Sicherlich mag es aus wissenschaftlicher Sicht richtig sein, anfangs geologische Aspekte und die Entstehung des Eisenerzes im Mittelharz zu erläutern. Doch eben für Laien ist dies schon ein sprödes Gestein, das verdaut werden muss. Es bleibt natürlich jeden überlassen, dieses oder auch andere Kapitel zu überschlagen. Vielleicht hätte man die Zusammenfassung von Seite 302 als Prolog an den Anfang stellen oder noch eine Erläuterung für Nicht-Ortskundige geben sollen.
Aber “Grube Büchenberg - Eiserner Schatz im Harz” kann auch als Kompendium gelesen werden. Natürlich findet jeder hier seine Themen aus der Sagenwelt des Harzer Bergbaus. Wer nach dem Kapitel “Wasserwirtschaft im Bergbau” den ambivalenten Umgang mit nassen Element immer noch nicht verstanden hat, der wird die Harzer Wasserwirtschaft wohl nie verstehen. Auf acht Seiten komprimiert erläutert Dr. Dieter Mucke zahlenreich und fundiert jenes schwierige Verhältnis der Bergleute zum Wasser, den Fluch und seinen Nutzen.
Manchmal kommt man aus dem
Staunen nicht mehr heraus.
Wer als Laie die Theorie hinter sich gebracht oder übersprungen hat, dem erwartet ein fesselndes Buch, das vor allem mit seinen faszinierenden Bildern überzeugt. Annette Westermann und Wolfgang Schilling zeigen eine verborgene Welt, in die man eintauchen möchte, eine Welt, deren Farbenpracht und Formenvielfalt nur im unterirdischen Reservat überleben konnte und deren Reproduktion nur mit höchstem Qualitätsbewusstsein möglich ist. Der Bücherfreund freut sich. Allein deswegen lohnt sich die Anschaffung, aber die Forderung lautet: “Das muss jeder sehen, macht eine Fotoausstellung daraus!”
Das Buch bietet nicht nur Historie, sondern auch Zeitgeschichte. Wie in anderen Harzer Revieren war auch am Büchenberg in den 20er Jahren Schluss, doch die Rüstungspläne der Nazis sorgten für Renaissance und Scheinblüte. Jetzt hielt der moderne Bergbau in Elbingerode Einzug und nach mehreren Aufschlüssen erreichten die SChächte am Büchenberg eine bis dato unbekannte Größe. Wie fest das Elbingeroder Revier in die Kriegspläne desNS-Regimes eingebunden war, das zeichnen Strutz, Knolle und Schilling konzentriert auf 21 Seiten nach und sie verdeutlichen die Rolle der Zwangsarbeiter und der Kriegsgefangenen innerhalb dieses Maschinerie nochmals.
Günther Müller und Gerhard Rösicke ist eine materialreiche und umfassende Darstellung der Zeit zwischen 1945 und 1971 gelungen. Doch leider ist sie eher technikzentriert und lehrbuchhaft, selbst die Brigade und der Aufbau eines Kombinats werden erläutert. Doch Zeitzeugen kommen nicht zu Wort und so wird die Chance einer lebendigen Geschichtsschreibung verpasst.
Dieses Buch ist eher eine Liebe auf den zweiten Blick und je länger man blättert, dest tiefer wird die Zuneigung. Bildgewaltig kommt Kapitel sechs daher, die Grube Büchenberg als verlassene Industriekultur. Wolfgang Schilling gelingt die Darstellung einer befremdlichen und faszinierenden Welt mit wenigen Worten und vielen Fotos, in die man eintauchen möchte. Dies ist einmalig und dies ist zweifellos das Kernstück des Buches. Deshalb muss der Appell erneuert werden: Macht eine Ausstellung daraus.
Eine ähnliche Pionierarbeit leisten Knolle, Westermann, Ohlendorf und Meyer mit dem Abschnitt über die Natur am Büchenberg. Man kommt aus dem Staunen über die Vielfalt im Öko-System “Aufgelassenes Bergwerk” nicht heraus. Eine ganz eigene Flora und Fauna hat die Gruben und Schächte zurückerobert. Auch in diesem Kapitel scheint manches Bild das enge Format des Buches zu sprengen.
Trotz mancher Längen ist es den Autoren gelungen, mit “Grube Büchenberg” einen Schatz zu heben. In seiner Komplexität ist dieses Buch sicherlich einmalig und beispielhaft für die Arbeit  an der Montageschichte Region. Ob man den Harzer Bergbau in einem Buch erklären kann? Einen Versuch ist es allemal wert.

Die Website dazu.


Bibliographische Informationen:

Wolfgang Schilling (Hrsg.); Grube Büchenberg - Eiserner Schatz im Harz, Blankenburg 2013, ISBN 978-3-935971-65-2




Kommentare

  1. Hallo.

    Solche Bücher werden im Allgemeinen nicht von rein "populärwissenschaftlich Interessierten" gelesen. Sie sind einem sehr kleinen und ganz besonders montanhistorisch interessiertem Publikum vorbehalten. Es ist auch sehr umständlich, bergbauliche Themen an Laien in einer allgemeinverständlichen Sprache zu vermitteln - und es besteht bei Letzteren auch kaum ein Interesse an solchen doch recht komplizierten Themen. Das mußte ich vor kurzem wieder auf einer Harzreise mit Freunden feststellen.
    Bergbauliche Themen interessieren in einer Gesellschaft, die sich zunehmend dem "Spaß am Leben für Jedermann" verpflichtet fühlt und sich von jeder Form der wertschöpfenden Arbeit verabschieden will, gerade jüngere Mensch nicht mehr.

    Glückauf,
    Frederik

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

Vier Cellisten beim Kammerkonzert im Kunsthaus Wer Piazzolla spielt, kann kein schlechter Mensch sein. Schon gar nicht, wenn´s gleich zweimal Piazzolla ist. Bis es soweit ist, darf das Publikum einige andere Highlights beim Kammerkonzert der vier Cellisten im Kunsthaus Meyenburg erleben. Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause gibt es bedächtige Romantik, nach der Pause wird es rhythmusbetont. Kein Grund zur Besorgnis: Das Cello schafft das schon. Das Instrument und das Ensemble bringen dafür ausreichend Potential mit. Erst klassisch, .... Den Auftakt macht Joseph Haydn und sein "Divertimento in D-Dur". Dies hat er einst für eben die Besetzung des Abends geschrieben, für vier Celli. Im zweiten Satz ist das Quartett das erste Mal gefordert. Das Allegro di molto verlangt ein präzises Zusammenspiel, damit der Dialog der Instrument funktioniert und er funktioniert. Im Allegretto des anschließenden Menuetts zeigt Sebastian Hennemann, dass ein Cello tanzen und hüpfen kann...

Eine Inszenierung auf Tratsch-Niveau

 Im DT Göttingen bleibt "Der junge Mann" an der Oberfläche Zu viel Narrativ, zu wenig Analyse. Die Inszenierung von Jette Büshel leidet an Oberflächlichkeit. Die Figuren werden nicht ausgelotet. Deswegen war die Premiere von "Der junge Mann" am 3. November zwar unterhaltsam, ging aber nicht unter die Haut. Das ist schade für das Ein-Personen-Stück auf der Studio-Bühne. In der autofiktionalen Erzählung "Der junge Mann" berichtet Annie Ernaux von ihrer zurückliegenden Beziehung zu einem 30 Jahre jüngeren Mann. Das Buch liegt seit dem Frühjahr in deutscher Übersetzung vor und postwenden haben Jette Büshel und Michael Letmathe ein Stück für das DT Göttingen draus gemacht. Strube bereit zur Berichterstattung. Alle Fotos: Lenja Kempf/DT GÖ Der erste Ansatz verpufft gleich. Seit der Ehe von Brigitte Trogneux und Emmanuel Macron haben Beziehungen zwischen älteren Frauen und jungen Männer so gar nix skandalöses mehr an sich. Auch das Duo Klum-Kaulitz hat null S...

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...