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Klanggewaltig und feuertrunken bis zum Finale

Loh-Orchester spielt Beethoven im Silvesterkonzert

Es gibt wohl kein zweites Werk in der deutschen Musikliteratur, das derart mit Erwartungen überfrachtet ist, wie die Neunte Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Schließlich geht es um nicht und weniger als das Ringen um nach reiner Freude, dass den Menschen aber verwehrt bleibt. Weil alle Zuhörerinnen und Zuhörer ihre Blaupause von Beethoven im Kopf mit sich herumtragen, ist jede Aufführung der 9. Sinfonie mit Risiko behaftet. In den Silvesterkonzerten meisterten Markus Frank, das Loh-Orchester, der Opernchor, die Gastsänger und die vier Solisten die Herausforderung.
Vom ersten Ton zeigte das Loh-Orchester die notwendige Dynamik, um die besondere Architektur dieses Monuments zu bewältigen, auch wenn der Klang bis zum ersten Einsatz der Bläser ein wenig indifferent war. Doch kann brilliert das Ensemble mit Klarheit und Struktur. Die Erarbeitung der Themen funktioniert wunderbar. Besonders zum Ende des Allegro rückt das "maestoso" in der Vordergrund. Großartiges deutet sich hier an. Man bekommt einen Ahnung davon, warum Somerset Maughan Beethovens Musik einst als gewalttätig bezeichnete.
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Die Lücken sind es, die den zweiten Satz zum Erlebnis machen. Markus L. Frank verlängert die Pausen im Molto vivace noch ein klein wenig und erhöht so die Spannung. Das Wechselspiel in der Themenverarbeitung zwischen Streichern und Bläser funktioniert auf allerhöchstem Niveau. Fast wirkt es athletisch und es scheint, als laufe sich der Klangkörper warm für das Finale.
Doch noch ist es nicht so weit. Im dritten Satz begeistert vor allem das kontrapunktische Wechselspiel von Cellos und Bässen auf der einen und den Bläsern auf der anderen Seite. Das Loh-Orchestern zeigt sich als hochgradig in allen Bestandteilen.
Darauf haben alle gewartet. Im Presto wird endlich gesungen. Elena Pierini hat ganze Arbeit geleistet, Es ist ihr gelungen, aus dem Opernchor, aus dem Extrachor und aus den Mitglieder des Konzertchors, des Albert-Fischer-Chors und der Sondershäuser Madrigalisten eine Einheit zu bilden, die sich dem Orchester als ebenbürtiger Partner erweist, auch wenn die Sängerinnen und Sänger gelegentlich von der Dynamik des Ensembles an den Rand gedrängt werden. Denn gerade jetzt will das Orchester seine Trümpfe voll ausspielen.
Florian Kontschak überzeugt mit seinem klaren und pointierten Bass. Doch im Tutti der Solisten setzt Désirée Brodka die Akzente mit ihrem prägnanten Sopran, der sich glockenklar und kraftvoll über die  anderen Stimmen aufschwingt, ohne ins Belcanto abzukippen. Das Theater Nordhausen kann sich glücklich schätzen, eine der hoffnungsvollsten deutschen Sängerinnen im Ensemble zu haben.
Somit fand das große Feuerwerk auch in diesem Jahr in Nordhausen wieder in geschlossenen Räumen statt. Das freudetrunkene Publikum bedankte sich mit nicht enden wollenden Applaus.

Der Spielplan im Theater Nordhausen

Das Loh-Orchester

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