Ein Tribut an "The Voice"

Frankie Boy im Deutschen Theater zeigt Ausschnitte aus Sinatras Leben

Ein Theaterstück ist es gewiss nicht. Aber ist "Frankie Boy" nun ein Musical oder doch eher ein Konzert? In seiner aktuellen Produktion beschäftigt sich Erich Sidler mit dem Leben von Frank Sinatra. Frage hin oder her. Auf jeden Fall war  das Publikum bei der Premiere am 9. Januar im Deutschen Theater Göttingen begeistert.

Der Einstieg mutet noch vertraut an. Paul Wennig empfängt das Publikum als Mafiosi Willie Moretti. Frederik Schmidt bittet um Hilfe in einer heiklen Angelegenheit. Der Pate lässt den Namen Sinatra fallen und gibt noch ein paar Tipps zur Bedeutung der Familie  für US-Amerikaner italienischer Abstammung.  Gleich danach "befreit" die Mafia Frank Sinatra aus dem Knebelvertrag mit Tommy Dorsey. Der kometenhafte Aufstieg in den 40er Jahren beginnt und Sinatra ist auf seinem Weg.


Wenige Szenen reichen und schon ist das Publikum in der Erzählung. Das Mafia-Thema durchzieht den ganzen Abend. Dabei  verlässt der Erzählfluß nie den Mainstream und kein Klischee wird ausgelassen. Aber Frankie Boy wurde ja auch nicht als Wochenendkurs zur "Entstehung von Parallelgesellschaften und deren Machtstrukturen" angekündigt.

Diese drei beherrschen den Abend eindeutig: Moritz
Schulze, Katharina Uhland und Benjamin Krüger.

Foto: DT Göttingen
Zergliedert ist die Biografie in kleine Anekdoten. Sinatras Leben zwischen Mitte der 1930-er und Mitte der 60-er Jahre wird in  Häppchen serviert. Das ist eine durchaus adäquate Anlehnung an die Nummer-Revue der Swing-Ära. Vorkenntnisse schaden nicht. Wer sich in Sinatras Biografie auskennt, der kann die Szenen einordnen und an einigen Stellen schmunzeln. Aber auch ohne eine Hauch von Ahnung kann man den Abend genießen, denn im Vordergrund steht eindeutig die Musik. Jede Etappe wird mit einem Song eingeläutet und dann auch wieder abgeschlossen. Damit wäre die einleitende Frage beantwortet.

Natürlich ist die Musik live und die Simple Swing Society ist an diesem Abend ein Erfolgsgarant. Musik-Pate Michael Frei hat wohl die kleinste Big Band der Region geschaffen. Trotz der knappen Besetzung ist der Sound voll und umfassend wie es sich für Swing gehört. Selbst das Styling ist passend, sogar der Schwenk auf die roten Sakkos mit Bauchbinde nach der Pause ist stilgerecht. Schließlich ist die Erzählung zu diesem Zeitpunkt in den Latino-inspirierten  50er Jahren gelandet.

Das Stück versammelt fast alle Welthits von Sinatra, aber eben nicht alle. Sicherlich können  die Fachleute stundenlang über die Auswahl diskutieren, was hätte sein müssen, was nicht hätte sein dürfen. Aber "Frankie Boy" will auch kein Abendkurs über "Swingmusik als Spiegel wechselnder Lebenszusammenhänge" sein. Moritz Schulze will einfach nur spielen, beziehungsweise singen.

Die Damenwelt himmelt der Star an.
Foto: DT Göttingen
Zum Glück versucht er an diesem Abend nur einmal so zu klingen wie Sinatra, ansonsten klingt Schulze wie Schulze . Seine Stimme ist gänzlich anders, der Sinatra-Schmelz fehlt und das ist kein Fehler. Schulzes Gesang ist transparenter und kraftvoll und das gibt dem Stück eine einmalige Dynamik. In seiner Freude am Spiel und am Swing reißt er den Rest der Gang mit und die Duette mit Benjamin Krüger erreichen gerade zum Ende einen hohen Gänsehautfaktor.

Der andere Stern an diesem Abend ist aber Katharina Uhland in der Rolle der Ava Gardner. In der sketchartigen Struktur bleiben ihr die wenigen schauspielerischen Momente vorbehalten und mit ihrer Leistung bewahrt sie das Stück davor, eine One-Man-Show zu werden. Und zudem hat sie verdamtt viel Blues in ihrer Stimme.

"Frankie Boy" kann kein Theaterstück sein, denn nach dem Mitklatsch-Songs '"New York, New York" und tosenden Applaus , da gibt es glatt noch zwei Zugaben. Wer hat schon jemals eine Zugabe in einem Theaterstück erlebt? An diesem Abend haben die Solisten jede Menge Spaß, das Ensemble hat jede Menge Spaß, die Band sowieso und damit hat auch das Publikum jede Menge Spaß. Das ist das entscheidende Kriterium bei dieser Premiere.

 "Frankie Boy" ist auf jeden Fall ein Stück, dass die Jahrzehnte feiert, die von vielen als die "guten alten Zeiten" tituliert werden. Als wahre Männer immer eine Zigarette, einen Whisky und ein hübsches Mädchen in den Fingern hatten. Gelegentlich gesellte  sich auch noch ein Revolver hinzu. Die Frage, wie sie das alles mit nur zwei Händen und in dieser Lässigkeit geschafft haben, die bleibt leider unbeantwortet. Aber "Frankie Boy" ist ja auch kein Anatomie-Kurs.


Das Stück
Der Spielplan







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