Diese Susanna weiß zu begeistern

Auftakt der Händel-Festspiele nach Mass

Erst kam das Pre-Opening, dann das Small-Opening, nun das Grand-Opening.  Mit dem Oratorium "Susanna" wurden am Donnerstag die Internationalen Händel-Festspiele in der Stadthalle Göttingen eröffnet. Es war ein Auftakt nach Maß. Das Festspiel Orchester und die Solisten zeigten eine Leistung, die kaum noch zu steigern ist.

Es geht um die alttestamentarische Geschichte aus dem Buch Daniel. Joachim und Susanne sind ein junges Ehepaar. Doch die schöne Frau muss sich zweier Stalker erwehren, die pikanterweise zu den Stammesältesten gehören. Nachdem die beiden Spanner Susanna nackt beim Baden sehen, verleumden die alten Gockel die junge Frau. Diese wird daraufhin wegen Ehebruchs zum Tode verurteil. Erst eine Eingebung des Propheten Daniel rettet die junge Frau. Im Gegenzug werden die beiden Alten wegen Verleumdung zum Tode verurteilt.

"Susanna" hebt sich deutlich von den vier Siegesoratorien, die Händel in den Jahren zuvor geschrieben hatte. Auch zum "Messias", der in diesem Jahr bei den Festspielen auf dem Programm steht, ist der Unterschied deutlich. Während die letzt genannten Werke durch existentielle Wucht und mächtige Klänge begeistern, ist "Susanna" eher eine psychologische Studie. Die Dispositionen der Akteure, die Beziehungen der Handelnden zueinander stehen im Vordergrund. Das ist eine Parallele zur diesjährigen Festspiel-Oper "Imeneo".

Erhaben ist der Klang des FestpielOrchesters
Göttingen allemal.      Alle Fotos: tok
Es geht eben um ihre Verbindungen und diese sind in diesem Jahr das Titelthema der Händel-Festspiele Göttingen. Daher kommt es auf die Zwischentöne an und deswegen ist das ist Zahl der Handelnden in diesem Oratorium auf fünf begrenzt, der Kosmos ist übersichtlich.

Erhaben sollte dieses Oratorium, erhaben und moralisch erbauend, das war Händels Zielsetzung. Im Vergleich zu früheren Werken leidet es an Handlungsarmut und daher war diesem Werk auch nur wenig Erfolg beschieden. Es dauert den ganzen ersten Akt, um die Beziehungen der Personen zueinander in kleinste Detail zu entblättern.

Auch wenn der Einstieg des Countertenor Christopher Lowrey als Joachim ein wenig spitz gerät, schafft er im abschließenden Duett mit Emily Fons in der Titelrolle doch ein rundes Klangbild. Beide ergründen hier die ganze Tiefe ihrer Liebe, präsentieren sich als Einheit und erhaben ist dies allemal. Im Schlussduett des dritten Aktes können sie diese Leistung noch einmal steigern.

Überhaupt ist Emily Fons eine Säule dieser Aufführung. Immer wieder kann die Mezzosopranistin an diesem Abend ihre Vielfältigkeit unter Beweis stellen. Sie klingt weich und rund im Lamento des dritten Akts und weist dennoch eine enorme Dynamik in den richtigen Partien auf. Sie schafft glockenklar und vibrato gleichermaßen und bewältigt auch die Koloraturen im dritten Akt. Wenn sie singt, dann schweifen die Gedanken in die Ferne und eine Wunsch keimt auf. Möge dieses Konzert doch nie zu Ende gehen. Oder zumindest länger dauern, als geplant. Die Folge ist Szenenapplaus nach fast jedem ihrer Auftritte.

Keine Angst, nicht nur Laurence Cummings hat Blumen
bekommen. 
Der Gegenpol ist Colin Balzer in der Rolle des Ersten Ältesten. Als Vertretung kurzfristig eingesprungen gelint ihm in der dritten Szene des ersten Akts gleich ein starker Einstieg, den er im Staccato  der vierten Szene sogar noch steigern kann. Zudem verfügt Balzer auch über die mimischen Fähigkeiten, um einen liebestollen alten Gockel in seiner gesamten Eitelkeit und Selbstgefälligkeit lebendig werden zu lassen.

Zu den Höhepunkten des Abends zählt sicherlich das Duett der Alten in Szene drei des zweiten Aktes. Balzer weckt Raimund Nolte aus seiner statischen Rolle des Chelsias. Zusammen zewigen sie die gesamte Brünftigkeit testosterongeschwängerter Greise. Das Szenen prägen sich ein und überdauern die Jahrtausende. Das ist ganz im Hier und Jetzt angesiedelt. Solche Gockel besiedeln die Fitness-Zonen des 21. Jahrhunderts.

Doch schon kurz zuvor gab es ein ähnlich beeindruckendes Duett beim Zusammentreffen von Susanna und Daniel. Clara Hendrick kann hier beweisen, dass zwei Mezzosopranistinnen auf einmal doch ganz anders klingen können. Sie setzt ihre Stimme betont und Ton für Ton pointiert ein. Dies ergibt im Zusammenspiel einen schönen Kontrast in derselben Stimmlage.

Der Chor hatte nur wenige Möglichkeiten sich
auszuzeichnen.
Auch in der Auseinandersetzung mit den beiden Alten im dritten Akt nimmt sie somit das Gesetz des Handelns an sich, um dann aber mit der Arie am Ende der ersten Szene ganz anders zu klingen. Weich und trotzdem dynamisch bis in die Höhen. Das ist eindeutig der Gänsehaut-Moment  und wieder keimt der Wunsch auf "Möge dieser Abend doch niemals enden oder ...".

Das Erhabene in diesem Oratorium, das arbeitet das FestspielOrchester Göttingen unter der Leitung von Laurence Cummings überzeugend heraus. Selten klang das Ensemble so lyrisch. Die Streicher dominieren durchweg. Dort wo Bläser gefragt sind, gibt es vornehmlich Holz zu hören. Das Blech kommt erst im Tugendjubel der letzten Szene zur Geltung.

Ach ja, der Chor. Für einen Chor ist "Susanna" ein undankbares Werk. Eerst im dritten Akt gibt die Möglichkeiten, Akzente zu setzen. Der NDR-Chor nutzt diese Chance dann doch und als der letzte  Ton verklungen ist, dann folgt nur noch Jubel.


Das Werk bei wikipedia

Das FestspielOrchester Göttingen


NDR Kultur sendet am 22. Mai um 11.00 Uhr eine Aufzeichnung des Konzerts


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