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Freue dich, oh Zuhörerschaft

Ludwig Güttler und seine Blechbläser zelebrieren Weihnachten im Kloster Walkenried 

Vor 28 Jahren gab Ludwig Güttler zum ersten Mal seine Visitenkarten bei den Kreuzgangkonzerten ab. Seitdem gastierte der Ausnahmemusiker regelmäßig dort. Am Samstag stellten er und sein Blechbläserensemble nun endlich ihr Adventsprogramm vor. Am Ende des Konzertes gab es zwei Fragen. Warum hat es so lange gedauert bis Güttler mal im Advent vorbeischaute? Wann kommt er das nächste Mal wieder?

Schon mit den ersten Takt fluten die zwölf Musiker den Kreuzgang musikalisch. Kraftvolle Bläser verkündete das nahende Weihnachtsfest und das ist nach Auffassung von Ludwig Güttler vor allem ein Freudenfest. Was eignet sich am besten, um diese Freude in Töne umzusetzen. Natürlich der helle und optimistische Klang von Blechbläsern. Sie schallen und jauchzen und frohlocken. Freue dich, oh Zuhörerschaft, über diese Pauken und Trompeten.

Ludwig Güttler ist an diesem Abend der Primus
inter Pares.       Fotos: tok
Den Anfang macht an diesem Abend die Suite in C-Dur des selten gespielten Johann Heinrich Schmelzer. Wie eine Woge brandete das weitgehend unbekannte Werk über das Publikum hinweg. Es trug alle Trübsal mit sich fort und hinterließ seelisch gereinigte Zuhörer. Nach dieser Dusch konnte man sich ganz dem Genuss hingeben. Einfach Augen zu und zuhören, das war die heimliche Regieanweisung für dieses Konzert.

Noch etwa wird schon beim ersten Stück klar. Der Raum und die Bläser passen einfach zusammen. Die einmalige Akustik des Kreuzgang setzt den transparenten Klang des Ensembles auf optimale Weise um.

Es ist ein buntes Programm, dass Güttler hier zusammengestellt hat. Er hat bekannte und nicht so bekannte Komponisten zu einem Gesamtpaket zusammengeschnürt. Es finden sich Gegenwartswerke genauso darin wie Klassiker. Aber das Programm wird vor allem von Werken aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert dominiert, denn was paroasst besser zusammen als Barock und Lebensfreude.

Es sind keine Einzelstücke. In den sieben Partita hat Güttler Versatzstücke berühmter und weniger berühmter Komponisten zu neuen Werken zusammengefasst. Ein Bruch ist nicht zu hören, alle siegen klingen wie aus einem Guß. Der Herr Professor kennt seine Pappenheimer in- und auswendig und fügt zusammen, was zusammen gehört. Bekanntes erscheint im neuen Zusammenhang und Unbekanntes wird endlich mal erhört. Der Remix ist die Eigenleistung von Ludwig Güttler und damit macht er die Essenz, die Wahlverwandtschaften und die Gemeinsamkeit aller Stücke deutlich, die Vorfreude auf das Weihnachtsfest.

Die hier haben Bach abertausende Mal gespielt.
Ludwig Güttler und Johann Sebastian Bach, das ist seit Jahrzehnten ein Traumpaar in der Musikwelt. Aber selbst das barocke Denkmal ist an diesem Abend nicht sicher vor Dekonstruktion und Rekonstruktion. Güttler fasst ein Allegro aus dem 6. Brandenburgischen Konzert, einen Choral und eine Fuge aus Bachs Feder zusammen. Er schafft damit etwas, was dem Altmeister nicht gelang. Er kreiert aus Bachs Material ein eigenständiges Magnificat-Concerto, das vor der Pause den Höhepunkt des Konzertes bildet.

Im virtuosen Wechselspiel der Trompeten und Posaunen entstehen zwei, gar drei Melodielinien, die sich gemeinsam auf die Reise machen, sich umspielen, sich trennen und wieder zueinanderfinden. Man wünscht sich, dass dieser Moment nie enden möge. Sollte er es doch tun, dann möge doch bitte ein Replay-Knopf aufploppen, denn es gibt noch so viele Schätze zu entdecken im Dickicht der Töne. Da dies aber nicht passieren wird: Augen zu und genau diesen Moment genießen.

Als Dirigent ist Güttler an diesem Abend angenehm unauffällig. Sein Dirigat beschränkt sich auf wenige Vorgaben, auf das Nötigste. Fast schon blindes Vertrauen prägt das Zusammenspiel. Es ist eben ein eingespieltes Ensemble auf durchgehend hohem Niveau und einige Musiker wie Erich Markwart am Waldhorn oder Olaf Krumpfer arbeiten schon seit vielen Jahren mit Güttler zusammen.

Überhaupt ist Ludwig Güttler an diesem Abend mehr Bandleader als Solo-Star und sein Spiel gleicht dem eines Primus inter pares. Das Programm stellt den Musikwissenschaftler in den Vordergrund, nicht den Instrumentalisten.

Markwart und Krumpfer spielen schon lange mit
Ludwig Güttler zusammen.   Alle Fotos: tok 
Vor 28 Jahren gab Ludwig Güttler zum ersten Mal seine Visitenkarten bei den Kreuzgangkonzerten ab. Seitdem hat er regelmäßig dort gastiert. Also kennt man sich gegenseitig doch sehr gut und also kann der Bandleader auch mal mit seinen Fans scherzen. So zieht sich die Frage nach der richtigen Stelle durch den ganzen Abend und wird zum running gag. Aber Güttler gibt auch einen Einblick in seine musikalischen Überlegungen und als er vom Schicksal von Adolf Busch erzählt, merkt man ihm schon an, dass ihm etwas liegt am Werk des Flüchtling und Exilanten.

Vor 28 Jahren gab Ludwig Güttler zum ersten Mal seine Visitenkarten in Walkenried ab und seit damals hat er diese klanglichen Besonderheiten des Aufführungsortes genau kennengelernt. Er weiß ihn zu nutzen und somit erklingt die Partita über “Kommet ihr Hirten” mit einem verteilten Ensemble aus vier Ecken im Wechselspiel und im Widerhall. Dem Publikum erschließt sich so ein neuer Raum. Es ist, als ob sich mit dem Echo eine vierte Dimension öffnet, die Zeitebene mit einbezogen wird ins musikalische Kalkül.

Zum Schluss des begeisternden Konzertes lässt das Publikum das Ensemble erst nach fünf Zugaben von der Bühne. Dabei überraschen die Bläser, denn sie überzeugen mit zwei Gesangseinlagen auch als Chorknaben.



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