Das Drama der Reformation

Brenz 1548 bei den Freilichtspielen Hall

Es ist Reformationsjahr und während sich alle Welt auf Martin Luther konzentriert,  feiern die Freilichtspiele Hall den Lokalhelden und Reformator Johannes Brenz. Das ist durchaus zu begrüßen, denn es öffnet neue Perspektiven und liefert zugleich Detailansichten zu einem Ereignis, das die Welt verändert hat.

 Mit "Brenz 1548" versucht Intendant und Regisseur Christian Doll einen Spagat, der auf weiten Strecken gelingt. Dies ist vor allem den Hauptdarstellern Dirk Schäfer, Anne Weinknecht und Kerstin-Marie Mäckelburg zu verdanken.

Autor Andreas Gäßler wollte dreierlei leisten: Ein Drama abliefern, ein theologisches Lehrstück schaffen und Lokalgeschichte zeigen. Weil viele Anspielungen auf lokale Größen drinstecken, würde das Stück in Thüringen und in Anhalt, den Kernländern der Reformation so nicht funktionieren.

Dirk Schäfer beherrscht die Treppe und das Stück.
Alle Fotos: Jürgen Weller
Dort, wo es theologisches Lehrstück ist, wirkt "Brenz 1548" gelegentlich textlastig. Aber Gäßler schafft es, die Kernpunkte der lutherischen Reformation herauszuarbeiten. Er macht deutlich, was Katholiken und Protestanten trennt und das ist mehr als die Priesterehe und das Abendmahl. Es geht um ein neues Menschenbild und um die Freiheit des Christenmenschen. In seiner Inszenierung legt Christian Doll eben besonderen Wert auf diese Neuerung, die die Welt verändert hat.

Aber vor allem dort, wo "Brenz 1548" Drama sein darf, dort überzeugt es. Doll schafft beeindruckende Bilder und seine Darsteller schaffen bleibende Momente.

Die Handlung setzt 1548 ein. Der Thesenanschlag von Wittenberg liegt 31 Jahre zurück, Luther ist tot und die Reformation steckt in der Krise. Kaiser Karl V. lässt gerade mit Gewalt die Gegenreformation durch die deutschen Lande laufen.

Zwei Zeitreisende sind zur falschen Zeit am Ort. Sie sind auf der Suche nach Martin Luther und treffen auf Johannes Brenz. Der ist gerade aus Hall geflohen. Der Kaiser hatte die Auslieferung des reformatorischen Antreibers gefordert. Um sein Leben und sein Wirken zu rettten, ließ er seine todkranke Frau und die sechs Kinder zurück.

Ein Bild, das bleibt: Margarethe
stirbt.

Foto: J. Weller
Von diesem Ausgangspunkt erzählt Doll in Rückblenden die Geschichte der Reformation im deutschen Südwesten. Es sind einzelne, meist schnell, zuweilen auch hektische Sequenzen. Um so viel Dynamik auf die sperrige Freitreppe vor der Michaeliskirche zu bekommen, bedarf es wohl viel Regiearbeit. Man merkt gar nicht, das diese vertikale Bühne eigentlich ein Schauspielverhinderungsmonstrum ist.

Mit ihrem Bühnenbild mit acht Türen zieht Anne Brüssel einige Ebenen in diese Vertikale ein. Dies ermöglicht es, dass Spiel zu gliedern und zu begrenzen. Somit schafft sie Orientierung für das Publikum und damit trägt sie wesentlich zum Erfolg bei.

Angenehm ist auch, dass Veronika Witlandt  bei den Kostümen zwar modische Zitat bringt, aber ansonsten auf Anbiederung an das 16. Jahrhundert verzichtet. Damit bewahrt sie "Brenz 1548" vor dem Historienspiel und weist über die Zeit hinaus.

Geschichte wird gemacht und deshalb muss es auch rasant zugehen. Aber ihre wirklichen Stärken entwickelt diese Inszenierung, in den stillen und lyrischen Sequenzen, wenn gesprochen und nicht proklamiert wird, wenn die Schauspieler einfach mal ihre Präsenz wirken lassen dürfen.

Dazu gehört eindeutig die Liebesszene zwischen dem Dauerjunggesellen Brenz und der jungen Witwe. Das soviel Poesie aus dieser riesigen Bühne möglich ist, liegt an dem kongenialen Zusammenspiel von Anne Weinknecht und Dirk Schäfer.

Überhaupt scheint die Rolle des Reformators Dirk Schäfer auf den Leib geschrieben zu sein. Von laut bis leise, von fordernd bis verzweifelnd, Schäfer bringt die ganze Person Brenz auf die Bühne und macht auch dessen Zerrissenheit und Entwicklung deutlich. Damit setzen Doll und Schäfer einen neuen Höhepunkt in ihrer Zusammenarbeit.

Von Kaspar zum Despoten: Carl-Ludwig Weinknecht als
Kaiser Karl V.

Foto: J. Weller
Anne Weinknecht ist der leise Widerpart. Der zukünftigen Frau Brenz liegen nicht die großen Töne, sondern das beharrliche Nachfragen und das überzeugte Einstehen. Damit sind die beiden eine wunderbare Ergänzung.

Höhepunkt dieses Zusammenwirkens ist ohne Frage die Sterbeszene der Margarethe. Hiner kumuliert die ganze Dramatik in einem großartig Bild, das haften bleibt. Selbst die plötzliche Wendung der Sybille Burgmeister, überragend gespielt von Kerstin-Marie Mäckelburg, ist durchaus glaubwürdig.

Erst ein Kaspar, dann ein Despot So könnte man die Wandlung des Kaiser Karl V. beschreiben. Auf jeden Fall kann Carl-Ludwig Weinknecht in der Rolle des Regenten diese Entwicklung glaubhaft vermitteln.

Mit "Brenz 1548" hat Christian Doll einen überzeugenden Einstand bei den Festspielen Hall abgeliefert und bewiesen, dass er nicht nur lustig kann.







Veranstalter #1: Die Freilichtspiele Hall
Veranstalter #2: Das Stück

Thema #1: Johannes Brenz bei wikipedia
Thema #2: Kaiser Karl V.



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