Liebt, wie es euch gefällt
Komödie von Shakespeare zur offiziellen Eröffnung
Mit der Premiere von "Wie es euch gefällt" eröffnete Christian Doll am Donnerstag die 57. Domfestspiele nun auch offiziell. Seine Inszenierung ist eine spröde Schönheit, deren Reize im Laufe des Abends deutlich werden. Am Ende der Vorstellung belohnt das Publikum die überzeugende Leistung des gesamten Ensembles mit "standing ovations".
Der Einstieg ist verhalten. Einsam sitzt Orlando vor einem imaginären Klavier und mimt dne Klaviervirtuosen. Sein Lied ist das Klagelied des Hinterbliebenen, des um sein Erbteil Betrogenen. Doch die Zeit des Klagens soll vorbei sein, er will sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und fordert den Teil der Welt, der ihm zusteht. Wahrscheinlich gibt es im Gandersheimer Ensemble niemanden, der diesen Rollenwechsel besser verkörpern könnte als Moritz Fleiter. In den letzten Jahren war er in Gandersheim immer auf Kinder- und Familienstücke abonniert. In dieser Inszenierung zeigt er nun, dass er auch das ernste Fach beherrscht, ohne in Trübsinn zu versinken. Fleiter bringt genug jugendlichen Schwung mit, um das furiose Finale glaubwürdig zu gestalten.
Überhaupt ist Julia Friede in der Rolle der Rosalinde das Zentralgestirn in dieser Inszenierung. Aus dem männlichen Ränkespiel macht sie ein starkes Frauenstück. In jeden Augenblick beweist sie Präsenz und beherrscht die Bühne. Sie bestätigt den den großartigen Eindruck, den sie im letzten Jahr als Giacinta in "Sommerfrische" hinterlassen hatte.
Das erste Aufeinandertreffen von Rosalinde und Orlando ist der Dreh- und Angelpunkt. Der Moment der Halskette als Faustpfand wird in vier Variationen gespielt, mit immer denselben Worten. Auch später taucht dieses Motiv immer wieder auf. Es scheint, als ob an dieser Stelle die Zeit stillsteht und die Welt dem Atem anhält. Es ist der magische Moment der ersten, der ganz großen Liebe.
Doch, Rosalinde und Orlando, das ist die unschuldige Liebe zweier altkluger Pennäler. Dies bildet den deutlichen Kontrast zu den Machenschaften des Frederik,und des Oliver. Der eine hat sich der sich zum Herzog emporgeputscht, seinen Vorgänger und dessen Gefolge ins Exil trieb, der betrog seinen Bruder Orlando um den Erbteil und will ihn nun ans Messer liefern. Christian Alexander Müller kann die Niedertracht des neuen Herzogs wunderbar herausarbeiten. Schleichender Schritt, eingezogene Schulter, aber eiskalt in der Sprache.
Die Machtspiele bestimmen die ersten dreißig Minuten der Inszenierung. Chrisitan Doll macht deutlich, dass dies, was als lustiges Schäferspielchen daherkommt, doch einen tödlichen Hintergrund hat. Es gibt für den städtischen Adel schon handfeste Gründe, in die vermeintliche Idylle des Waldes zu fliehen. Diese Betonung ist die Basis der Gandersheimer Inszenierung.
Es ist auch ein Stück von Stadt gegen Land. Dreißig Minuten lang gibt es einen Soundtrack zum urbanen Leben. Die Aufführung ist mit Trip-Hop im Stile von Massive Attack. Kaum verlagert sich das Spiel in den Wald, herrscht Stille. Tanz und Vergnügen sind offensichtlich vorbei.Nach gebremsten Anfang entblättert diese Inszenierung ihren Zauber, eben wie ein Wein, der atmen muss.
Nirgends wird dies Deutlich als an der Person des vertriebenen Herzogs. Gunter Heun stellt ihn als einen Meister des Schönredens dar. Mit Verve und exaltiert preist er die Vorzüge des Landlebens, will er das Exil als Kuraufenthalt verstanden wissen. Mit den bekannten großen Gesten, fester Stimme und mit seiner enormen Präsenz kann Gunter Heun der Rolle es Exilanten einige Seiten abgewinnen.
Christian Doll und Florian Götz haben hier die Vorlage auf die Höhe der Zeit gebracht. Die beißende Satire in der Grill-Szene springt ins Auge. Man darf als Publikum auch mal über sich selbst lachen. Dieses Recht machen sie auch bei den Auftritten des Eremiten Jaques geltend. Vom Ankläger des Unrechts in dieser Welt wandelt er sich in Minutenschnelle zum Zyniker. Die berühmte Ode über die Welt als Bühne, ein zentrales Motiv im Shakespeareschen Original, intoniert Sebastian Strehler mit soviel Liedermacher-Appeal, das einem gleich vier bis fünf aktuelle Zeitgenossen in den Sinn kommen.
Überhaupt ist jeder Rolle stimmig besetzt und es sind manchmal die kleinen Momente, die vor Längen befahren. Julia Lißl verkörpert in der Doppelrolle als Amiens und als La Belle den intriganten Höfling wunderbar. Aber es ist auch der Abend von Christine Dorner. Ihre Närrin Probstein ist erst wortgewandt und lenkend und hinterher liebesblind. Der Klamauk der verhinderten Sex-Szene ist an der richtige Stelle platziert.
Die Vorlage ist mehr als 400 Jahre alt. Wie viele Werke Shakespeares zeichnet sie sich durch Sprachgewandheit und eine ureigene Melodik aus. Die Übersetzung ins Hochdeutsch bietet aber die Chance, ein Update durchzuführen und neue Akzente zu setzen. Die Gandersheimer Aufführung nutzt diese Chance. Das Nebeneinander von eingedeutschten Original und postmoderner Sprache macht deutlich, dass der Shakespeare und sein Themen immer noch etwas zu sagen haben.
Ob Shakespeare der Erfinder des Themas "Frau spielt Mann, der eine Frau spielt" ist, das ist nicht überliefert. Billy Wilder und andere haben es immer wieder aufgegriffen. Im Zentrum des Finales steht die aktuelle Frage der sexuellen Identität. Rosalinde gibt die passende Antwort. Ob nun Mann und Frau, Mann und Mann oder Frau und Frau. "Liebt, wie es euch gefällt."
Ob Shakespeare der Erfinder des Themas "Frau spielt Mann, der eine Frau spielt" ist, das ist nicht überliefert. Billy Wilder und andere haben es immer wieder aufgegriffen. Im Zentrum des Finales steht die aktuelle Frage der sexuellen Identität. Rosalinde spielt diese Häutung mehrfach durch, entpuppt sich als Mann, wird als dieser anerkannt und wird wandelt sich wieder zur Frau. Es ist schön anzusehen, wie Julia Fried bei der Ankunft im Wald unbeholfen versucht, männliches Gebaren zu imitieren. Im Final gibt sie auf alle Geschlechtsfragen die passende Antwort. Ob nun Mann und Frau, Mann und Mann oder Frau und Frau. "Liebt, wie es euch gefällt."
Das Bühnenbild wird dominiert vom Bauzaun. Er trennt die Stadt vom Wald, er ist die Grenze, die es zu überwinden gilt, aber er ist auch ein Schutzwall mit vielen Schlupflöchern. Mit dem Auftrennen des Bauzauns durch Oliver und Frederik dringt aber die Realität in die Schäferidylle ein, in der sich die Exilanten zwischenzeitlich eingerichtet hatten. Mit dem Bühnenbild ist Cornelia Brey ein großer Wurf gelungen. Der Zaun ist kein Hindernis, seine vielen Türen und Tore ermöglichen die schnellen Auftritte und Abgänge, die einer Shakespeareschen Komödie das typische Tempo verleihen. Aber erhalten blieben auch das Shakespeare-typische Motiv “Helden verstecken sich hinter Gewächs, lauschen den Bösen und leiten damit die Wende ein”, hier aber mit einem deutlichen Augenzwinkern.
Im Finale steckt jede Menge Tempo, soviel, dass der Text etwas leidet, wenn Rosalinde ihr Weisheit über das Wesen der Frau an das Publikum bringen will. Oder ist es die Atemlosigkeit eines schwerverliebten Teenagers, das Sprechtempo von youtube und anderen Plattformen? Das mehrheitlich erwachsene Publikum überstand zum guten Ende auch diesen Ansturm. Der Applaus macht deutlich dass sie die Aufforderung, “Liebt, wie es auch gefällt” ernst genommen haben.
Die Domfestspiele
Das Stück
Die Sommerfrische 2014
Mit der Premiere von "Wie es euch gefällt" eröffnete Christian Doll am Donnerstag die 57. Domfestspiele nun auch offiziell. Seine Inszenierung ist eine spröde Schönheit, deren Reize im Laufe des Abends deutlich werden. Am Ende der Vorstellung belohnt das Publikum die überzeugende Leistung des gesamten Ensembles mit "standing ovations".
Der Einstieg ist verhalten. Einsam sitzt Orlando vor einem imaginären Klavier und mimt dne Klaviervirtuosen. Sein Lied ist das Klagelied des Hinterbliebenen, des um sein Erbteil Betrogenen. Doch die Zeit des Klagens soll vorbei sein, er will sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und fordert den Teil der Welt, der ihm zusteht. Wahrscheinlich gibt es im Gandersheimer Ensemble niemanden, der diesen Rollenwechsel besser verkörpern könnte als Moritz Fleiter. In den letzten Jahren war er in Gandersheim immer auf Kinder- und Familienstücke abonniert. In dieser Inszenierung zeigt er nun, dass er auch das ernste Fach beherrscht, ohne in Trübsinn zu versinken. Fleiter bringt genug jugendlichen Schwung mit, um das furiose Finale glaubwürdig zu gestalten.
Die nächste Szene zeigt Rosalinde und Celia im Spannungsfeld zweier Cousinen. Mit Zuneigung und Ablehnung, Solidarität und Konkurrenz hat die Inszenierung hier eine lebensnahe Erfahrung aufgegriffen und verarbeitet. Julia Friede und Alice Hanimyan bewältigen die Herausforderung des Wechselspiel im Minutentakt bestens und glaubwürdig.
Anfangs macht Orlando große Augen.
Alle Fotos: tok
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Das erste Aufeinandertreffen von Rosalinde und Orlando ist der Dreh- und Angelpunkt. Der Moment der Halskette als Faustpfand wird in vier Variationen gespielt, mit immer denselben Worten. Auch später taucht dieses Motiv immer wieder auf. Es scheint, als ob an dieser Stelle die Zeit stillsteht und die Welt dem Atem anhält. Es ist der magische Moment der ersten, der ganz großen Liebe.
Doch, Rosalinde und Orlando, das ist die unschuldige Liebe zweier altkluger Pennäler. Dies bildet den deutlichen Kontrast zu den Machenschaften des Frederik,und des Oliver. Der eine hat sich der sich zum Herzog emporgeputscht, seinen Vorgänger und dessen Gefolge ins Exil trieb, der betrog seinen Bruder Orlando um den Erbteil und will ihn nun ans Messer liefern. Christian Alexander Müller kann die Niedertracht des neuen Herzogs wunderbar herausarbeiten. Schleichender Schritt, eingezogene Schulter, aber eiskalt in der Sprache.
Die Machtspiele bestimmen die ersten dreißig Minuten der Inszenierung. Chrisitan Doll macht deutlich, dass dies, was als lustiges Schäferspielchen daherkommt, doch einen tödlichen Hintergrund hat. Es gibt für den städtischen Adel schon handfeste Gründe, in die vermeintliche Idylle des Waldes zu fliehen. Diese Betonung ist die Basis der Gandersheimer Inszenierung.
Es ist auch ein Stück von Stadt gegen Land. Dreißig Minuten lang gibt es einen Soundtrack zum urbanen Leben. Die Aufführung ist mit Trip-Hop im Stile von Massive Attack. Kaum verlagert sich das Spiel in den Wald, herrscht Stille. Tanz und Vergnügen sind offensichtlich vorbei.Nach gebremsten Anfang entblättert diese Inszenierung ihren Zauber, eben wie ein Wein, der atmen muss.
Noch ist Rosalinde im Stadtmodus. |
Christian Doll und Florian Götz haben hier die Vorlage auf die Höhe der Zeit gebracht. Die beißende Satire in der Grill-Szene springt ins Auge. Man darf als Publikum auch mal über sich selbst lachen. Dieses Recht machen sie auch bei den Auftritten des Eremiten Jaques geltend. Vom Ankläger des Unrechts in dieser Welt wandelt er sich in Minutenschnelle zum Zyniker. Die berühmte Ode über die Welt als Bühne, ein zentrales Motiv im Shakespeareschen Original, intoniert Sebastian Strehler mit soviel Liedermacher-Appeal, das einem gleich vier bis fünf aktuelle Zeitgenossen in den Sinn kommen.
Überhaupt ist jeder Rolle stimmig besetzt und es sind manchmal die kleinen Momente, die vor Längen befahren. Julia Lißl verkörpert in der Doppelrolle als Amiens und als La Belle den intriganten Höfling wunderbar. Aber es ist auch der Abend von Christine Dorner. Ihre Närrin Probstein ist erst wortgewandt und lenkend und hinterher liebesblind. Der Klamauk der verhinderten Sex-Szene ist an der richtige Stelle platziert.
Die Vorlage ist mehr als 400 Jahre alt. Wie viele Werke Shakespeares zeichnet sie sich durch Sprachgewandheit und eine ureigene Melodik aus. Die Übersetzung ins Hochdeutsch bietet aber die Chance, ein Update durchzuführen und neue Akzente zu setzen. Die Gandersheimer Aufführung nutzt diese Chance. Das Nebeneinander von eingedeutschten Original und postmoderner Sprache macht deutlich, dass der Shakespeare und sein Themen immer noch etwas zu sagen haben.
Kurz vor dem happy End verbreitet Oliver noch Angst und Schrecken. |
Ob Shakespeare der Erfinder des Themas "Frau spielt Mann, der eine Frau spielt" ist, das ist nicht überliefert. Billy Wilder und andere haben es immer wieder aufgegriffen. Im Zentrum des Finales steht die aktuelle Frage der sexuellen Identität. Rosalinde spielt diese Häutung mehrfach durch, entpuppt sich als Mann, wird als dieser anerkannt und wird wandelt sich wieder zur Frau. Es ist schön anzusehen, wie Julia Fried bei der Ankunft im Wald unbeholfen versucht, männliches Gebaren zu imitieren. Im Final gibt sie auf alle Geschlechtsfragen die passende Antwort. Ob nun Mann und Frau, Mann und Mann oder Frau und Frau. "Liebt, wie es euch gefällt."
Das Bühnenbild wird dominiert vom Bauzaun. Er trennt die Stadt vom Wald, er ist die Grenze, die es zu überwinden gilt, aber er ist auch ein Schutzwall mit vielen Schlupflöchern. Mit dem Auftrennen des Bauzauns durch Oliver und Frederik dringt aber die Realität in die Schäferidylle ein, in der sich die Exilanten zwischenzeitlich eingerichtet hatten. Mit dem Bühnenbild ist Cornelia Brey ein großer Wurf gelungen. Der Zaun ist kein Hindernis, seine vielen Türen und Tore ermöglichen die schnellen Auftritte und Abgänge, die einer Shakespeareschen Komödie das typische Tempo verleihen. Aber erhalten blieben auch das Shakespeare-typische Motiv “Helden verstecken sich hinter Gewächs, lauschen den Bösen und leiten damit die Wende ein”, hier aber mit einem deutlichen Augenzwinkern.
Im Finale steckt jede Menge Tempo, soviel, dass der Text etwas leidet, wenn Rosalinde ihr Weisheit über das Wesen der Frau an das Publikum bringen will. Oder ist es die Atemlosigkeit eines schwerverliebten Teenagers, das Sprechtempo von youtube und anderen Plattformen? Das mehrheitlich erwachsene Publikum überstand zum guten Ende auch diesen Ansturm. Der Applaus macht deutlich dass sie die Aufforderung, “Liebt, wie es auch gefällt” ernst genommen haben.
Die Domfestspiele
Das Stück
Die Sommerfrische 2014
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