Addams Family als schräges Familiendrama bei den Domfestspielen
Man muss sie einfach mögen, diese Mischung aus schwarzem Humor, Gesang, Kitsch und Parodie. Wenn man sich drauf einlässt, dann bietet die Addams Family viele laute und leise Lacher, einige Mitschnipp- und Mitklatsch-Momente und einen kurzweiligen Abend. Zum Schluss siegt die Liebe und es bleibt die Erkenntnis, dass es selbst bei denen nicht viel anders ist als bei Familie Normalo.Die Addams sind ein wenig in die Jahre gekommen. Seit ihrem ersten Erscheinen im "New Yorker" sind mehr als 80 Jahre vergangen und die Simpsons zeigen seit mehr als 20 Jahren, dass die amerikanische Realität schlimmer ist als die Satire. Teenager in schwarzen Klamotten und mit dem Kajal-All-Inclusive-Abo gehören zum dörflichen Ortsbild und Walking Deads ist Pflichtprogramm für Pubertiere. Trotzdem tauchen die Addams immer wieder wie Untote im Kino auf.
Andrew Lippa hat 2009 ein Musical zu Amerikas schrägster Familie gemacht. Achim Lenz bringt es auf die Bühne der Gandersheimer Domfestspiele. Seine Inszenierung strotzt nicht nur so vor skurrilen Einfällen. Sie ist auch eine Hommage an die klassischen Zeiten des Musicals. Das versteht sogar jemand, der altersbedingt von alldem unbeleckt ist und deswegen vergibt der härteste aller Kritiker sogar 6 von 5 Sternen.
Damit ist er wohl ein wenig übers Ziel hinausgeschossen. Die Euphorie des Zwölfjährigen beweist aber, dass diese Aufführung mehr als familientauglich ist und die Addams selbst noch heute, trotz Simpsons und Walking Deads begeistern können, weil sie immer noch als Gegenentwurf zum Kleinbürger funktionieren.
Ein sorgsam austariertes soziales Gefüge: Die Addams Family in Bad Gandersheim. Alle Fotos: Hillebrecht |
Doch kann der Spezialist fürs Tanztheater hier durchaus mal seine komödiantische Seite voll ausspielen. Auf jeden Fall macht er mit ausgefeilten Gesten deutlich, dass er ja eigentlich nicht viel zu melden hat. Wie in ein normaler Familienvater eben auch.
Miriam Schwan ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt. Mit fester Stimme und durchgedrückten Rückgrat macht sie als Morticia Addams klar, wer das Sagen im Hause Addams hat. Sie macht deutlich, dass Selbstreflexion nicht so ihre Sache ist, trotz aller krisenhaften Situationen.
Damit ist der Konflikt mit Tochter Wednesday vorprogrammiert. Auch Florentine Kühne bringt die gleiche Entschlossenheit auf die Bühne wie ihre Musicalmutter.
Doch die schönsten Akzente kann Fehmi Göklü in der Rolle des Onkel Fester setzten. In der High Speed Inszenierung ist für die stillen und poetischen Momente zuständig. WEil er nicht nur stampft und proklamiert sondern auch mal leise redet und seine Gesicht und die Augen sprechen lässt, macht er aus seiner Rolle einen ganzen Menschen. Selbst der härteste alle Kritiker ist verzaubert von Göklüs Poesie und zittert mit bei Festers Flug zum Mond.
Doch bei allem Klamauk und schrägen Ideen ist "The Addams Family" ein herkömmliches Familiendrama, nur eben mit Musik. Im Mittelpunkt steht ein sorgsam austariertes soziales Gefüge, die Addams, das nun mit einer Störung konfrontiert wird und ins Trudeln gerät. Bricht dieses Gefüge nun auseinander oder findet es ein neues Gleichgewicht?
Im vorliegenden Falle heißt die Bedrohung Lucas Beineke, ist Musterschüler und Brillenträger und fürchterlich verliebt in Wednesday Addams und will sie heiraten und sie ihn.
Widergespiegelt werden die Addams mit ihrem Gegenentwurf, der Familie Beineke. Als Idealtypus der Kleinfamilie irren sie erst wie einst Brad Majors und Janet Weiss durch die Dunkelheit, um dann ihre begrabenen Träume wiederzufinden und im Wacken-T-Shirt eine Reinkarnation zu erleben. Auf alter Basis haben sie sich neu konstituiert und ein altes Gleichgewicht eingestellt. Deswegen gibt es logischerweise auch ein Happy End mit viel Liebe.
Die Beinekes (Vordergrund) sind für die Addams ein Clash of Cultures. Foto: Hillebrecht |
Mit der zweitkleinsten Bigband der Region im Rücken ist "The Addams Family" aber auch ein Hommage die Glanzzeiten des Broadways. Bei allem Drang zur Andersartigkeit serviert das Septett unter der Leitung von Patricia Martin einen schwungvollen Potpourri an Melodien mit hohem Mitsumm-Faktor. Trotz der kleinen Besetzung zaubern die sieben Musik ein volles Klangbild
Material #1: Die Gandersheimer Domfestspiele - Die offizielle Website
Material #2: Addams Family - Das Stück
Material #3: Addams Family - Die Historie
Andere Meinungen vom härtesten aller Kritiker
Der härteste aller Kritiker - Teil eins
Der härteste aller Kritiker - Teil zwei
Der härteste aller Kritiker - Teil drei
Der härteste aller Kritiker - Teil vier
Der härteste aller Kritiker - Teil fünf
Der härteste aller Kritiker - Teil sechs
Der härteste aller Kritiker - Teil sieben
Der härteste aller Kritiker - Teil acht
Der härteste aller Kritiker - Teil elf
Der härteste aller Kritiker - Teil zwölfDer härteste aller Kritiker - Teil dreizehn
Der härteste aller Kritiker - Teil vierzehn
Der härteste aller Kritiker - Teil fünfzehn
Der härteste aller Kritiker - Teil sechzehn
Der härteste aller Kritiker - Teil siebzehn
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen