Direkt zum Hauptbereich

Der Abend des Bassisten


Jazz der Extraklasse mit Till Brönner und Dieter Ilg

Zwei Hochkaräter auf der Bühne der Kreuzgangkonzerte: Am Freitag gastierten Till Brönner und Dieter Ilg im Kloster Walkenried. Sie präsentierten ihr aktuelles Programm und machten deutlich, wie schön zeitgemäßer Jazz sein kann.

Es ist ziemlich genau zwei Jahre, als genau diese Kombination aus Trompete und Kontrabass bei den Kreuzgangkonzerten die DNA des Jazz freigelegt hat. In dieser Zeit haben sich die Akzente deutlich verschoben. Auf dem Album „Nightfall“ aus dem letzten Jahr zeigen die beiden Ausnahmemusiker, was man im Jazz so alles machen kann.

Eine weitere Verschiebung gab es auf der Bühne. Stand der Auftritt 2017 ganz im Zeichen von Till Brönner, war es diese Mal der Abend des Dieter Ilg. Er zeigte, was auf dem Bass so alles möglich ist, ohne die Nerven des Publikums zu strapazieren.

Brönner denkt sich seinen Weg durch die Melodie.
Alle Fotos: Kügler
Brönners Ruhm beruht nicht auf temporeichen Spiel. Da gibt es in der Geschichte des Jazz eine ganze Reihe von Trompetern, die wesentlich schnellere Finger haben. Brönners Ruhm beruht auf diesem einzigartig weichem Spiel, das machen die einleitenden Songs „A Thousand Kisses Deep“, „Nightfall“ und „Nobody Else but me“ deutlich.

 Brönner pustet die Töne nicht heraus, er lockt sie mit einer Geschmeidigkeit, die an den mittleren Miles Davis erinnert. Er spielt nicht nach Blatt, sondern Brönner denkt sich seinen Weg durch die Melodie. Jeder Ton scheint gerade erst erfunden und zwar in einer Logik, die auch dem Publikum im Kreuzgang Walkenried klar ist. Damit wird jeder Song zu einem eigenständigen Werk, selbst wenn er Jazz-Standards spielt wie eben „Nothing else but me“ oder später „Body and Soul“.

Dabei lässt er die Grenze zwischen den Schublade verschwinden. Spätestens bei der Hommage an Charlie Parker stellt sich die Frage, ob das Cool oder ob das Bebop ist. Schon nach der Pause machen Brönner und Ilg mit „Scream & Shout“ von den Black Eyed Peas einen Ausflug in den Hip-Hop. Der kann auch geschmeidig und ganz ohne Macho-Attitüden daherkommen, lautet die Erkenntnis.

Den weichen Flow von Brönner kontrastiert Dieter Ilg mit einem akzentuierten Spiel auf dem Kontrabass. Er ist derjenige, der an diesen Abend die Vitalität in das Programm bringt. Leichtfüßig und schnell macht er aus dem scheinbar schwerfälligen Kontrabass einen musikalischen Schmetterling. Belohnt wird er mit reichlich Szenenapplaus.

In den zahlreichen Soli an diesem Abend wird das Rhythmusinstrument zum Melodieführer und der Bass scheint sogar zu singen. Manchmal intoniert er einen düsteren Blues und manchmal swingt er locker vor sich hin.

Ilg hat ein inniges Verhältnis zu
seinem Instrument.     Foto:Kügler
 
Das Highlight setzt Ilg dann vor der Pause. „Eleanor Rigby“ ist sicherlich der Song der Beatles, der den meisten Jazz-Appeal hat. Aber was das Duo Trompete-Bass daraus machen, geht über die Erwartungen hinaus. Während Brönner über der bekannten Melodie improvisiert, kontert Ilg mit den Akkorden aus „Come together“. Das passt einfach großartig. In dieser Dichte und Intensität hat mach die Beatles wohl noch nie gehört.

Es ist aber auch eine unterhaltsame Lehrstunde. Eleanors Klage über die Einsamkeit setzen Brönner und Ilg die Beatles Hymne der Gemeinsamkeit entgegen. Das thematisiert nur nicht die Entwicklung der Fab Four. Es zeigt vor allem, wie weit der Weg der Fab Two seit dem letzten Auftritt vor zwei Jahren war.

Brönner und Ilg machen sich an diesem Abend auf einen gemeinsamen Weg, nicht händchenhaltend, sonder jeder auf seiner Straßenseite. Aber sie treffen sich immer wieder, mal diesseits der der Mittellinie, mal jenseits. Dabei gehen gelegentlich auch bis an die Grenze zum Free Jazz. Bei „Wetterstein“ überschreiten sie diese dann auch mal. Die Klangcollagen finden sich dann aber wieder zusammen in einer Melodie, die wohl von der musikalischen Tradition des Wettersteingebirges geprägt ist. Ein schöne Referenz.

Eine Grenzverletzung gibt es noch mit „Peng! Peng!“, einer weiteren Eigenkomposition. Aus dem Antwortspiel zwischen Trompete und Kontrabass entwickelt sich ein Ilg-Solo, das sogar die Erotik dieses Instruments offenbart. Das wird gekratzt und geklopft und es ergeben sich Töne, die man so nicht für möglich gehalten hätte.

Mit dem Kirchenlied „Ach bleib mit deiner Gnade“ schicken Brönner und Ilg das Publikum beseelt auf den Heimatweg.


Material #1: Walkenrieder Kreuzgangkonzerte - Das Programm
Material #2: Die DNA des Jazz - Das Konzert 2017

Material #3: Till Brönner - Die Website
Material #4: Dieter Ilg - Die Website





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

Vier Cellisten beim Kammerkonzert im Kunsthaus Wer Piazzolla spielt, kann kein schlechter Mensch sein. Schon gar nicht, wenn´s gleich zweimal Piazzolla ist. Bis es soweit ist, darf das Publikum einige andere Highlights beim Kammerkonzert der vier Cellisten im Kunsthaus Meyenburg erleben. Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause gibt es bedächtige Romantik, nach der Pause wird es rhythmusbetont. Kein Grund zur Besorgnis: Das Cello schafft das schon. Das Instrument und das Ensemble bringen dafür ausreichend Potential mit. Erst klassisch, .... Den Auftakt macht Joseph Haydn und sein "Divertimento in D-Dur". Dies hat er einst für eben die Besetzung des Abends geschrieben, für vier Celli. Im zweiten Satz ist das Quartett das erste Mal gefordert. Das Allegro di molto verlangt ein präzises Zusammenspiel, damit der Dialog der Instrument funktioniert und er funktioniert. Im Allegretto des anschließenden Menuetts zeigt Sebastian Hennemann, dass ein Cello tanzen und hüpfen kann...

Hier zerbricht mehr als nur ein Krug

Beichl verschiebt Kleist in die Gegenwart  Der Meister des Klischees und der Plattitüden überrascht positiv. Mit seinem "Zerbrochenen Krug" am Deutschen Theater Göttingen legt Moritz  Beichl legt eine Inszenierung vor, die Themen zu Tage fördert, die ansonsten unter dem Deckel das Schwanks verborgen bleiben. Damit macht er aus dem Klassiker der Aufklärung ein Stück für die Gegenwart. Premiere war am 7. Dezember. Dabei kann er auf starke Besetzungen in den Nebenrollen bauen. In Bastian Dulitsch als Gerichtsschreiber Licht und Leonard Wilhelm als  Bauernsohn Ruprecht Tümpel überzeugen mit starken Darstellungen von Menschen, die sich auf ihre Weise gegen das ancien régime wehren und damit erfolgreich sind. Am Ende steht eine neue Ordnung, die menschengemacht ist. Denn letztendlich siegt die Macht der Liebe über die Selbstherrlichkeit des Dorfrichter Adam. Als Intro wird auf den Gaze-Vorhang ein Video-Clip projiziert, in dem sich Eve und Rupprecht knutschen und kusch...