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Hauptsache Holz zu Weihnachten

Öffentlich Led Zeppelin, The Clash, R.E.M. und Nirvana auf der Blockflöte spielen, das muss man sich erstmal trauen. Wenn das Ganze dann noch mit  Weihnachtsliedern der letzten 500 Jahre gemischt wird, könnte man auf ein überhöhtes Selbstbewusstsein tippen. Weil das Konzept aber aufgeht, muss man von höchsten Talent und tiefdurchdrungenes Musikverständnis ausgehen. Zumindest gilt dies für das Trio Wildes Holz.

Conrads, Reisige und Behr (v.l.n.r.)in einem der
ruhigen Momente an diesem Abend.
Foto: Kügler
Auf den ersten Blick sind Thomas Krause und sein Team "all in gegangen" bei der zweiten Veranstaltung des frisch gegründeten Kulturwerk Herzberg. Schließlich steht Bläserensembles aus dem Münsterland für eine recht schräge Interpretation bekannten Materials. Doch das Risiko war überschaubar, schließlich konnten Wildes Holz in der Vergangenheit viermal im Rahmen der Kreuzgangkonzerte Walkenried überzeugen. Also wusste das Publikum, worauf es sich eingelassen hat, und es hat bekommen, was es wollte. Weihnachtsvorfreude und Weihnachtsmusik der ausgefallenen Art.

Seit mehr 25 Jahren bearbeiten Tobias Reisige (diverses Flöten) und Markus Conrad (Kontrabass und andere Saiten) die Konzertsäle der Republik. Trotzdem wird man nicht müde, ihnen auf den rasanten Holzweg zu folgen. Mit Johannes Behr an der Gitarre haben sie an unruhigen Zeiten einen Mitmacher gefunden, der mit seiner jazzigen Seite eine neue Note in das bekannte Œuvre einbringt.

Am Ende ist alles Jazz

Das Konzert beginnt mit "Ihr Kinderlein kommet" gemischt mit den "Hateful" der Punklegenden. Zuvor trafen die Hirten noch auf die Violett Femmes. Das ist kein Clash of cultures, das pass sogar, und so zieht es sich durch den ganzen Abend.

Manchmal geht es auch ohne Flöte.
Foto: Kügler
Man weiß gar nicht, was man mehr bewundern soll. Das rasante Tempo von Flötist Tobias Reisige, das vehemente Spiel von Markus Conrad oder deren Fähigkeit, Dinge stimmig zusammenzubringen, dies so noch nie zusammen waren. Für falsche Besinnlichkeit ist auf jeden Fall keine Zeit. Es heißt nicht umsonst: Freue dich oh Christenheit. Atheisten und Andersgläubige dürfen sich auch mit freuen, denn Musik ist für alle da. 

Dass Reisige und Conrads sich wortlos verstehen, ist angesichts der langen Spielzeit kein Wunder. Aber Behr hat sich mittlerweile eingefügt, ist nicht nur Bruder im Geiste sondern auch im Spiel und so hat jeder seinen Platz und seinen Anteil am Gelingen. Jeder bekommt seine Soli und darf seine musikalischen Ideen vor dem Publikum ausarbeiten. Am glückliche Ende hat sich niemand verletzt und niemand verirrt sich im Kräutergarten. Nicht einmal, als Maria mit Kurt Cobain durch den Dornwald geht.

Auch wenn man muss eingestehen muss, dass Wildes Holz das Programm "Alle Jahre wilder" in ähnlicher Form schon seit 10 Jahren spielt, tut diese dem Genuss keinen Abbruch. Diese Routine ist die Voraussetzung für die Inszenierung auf höchster Ebene und für die kleinen Spielereien am Rande, die das Konzert mit dem gewissen Extra versorgen.. 

Die Münsterländer Art des Musizierens      

Das ist die höchste Meisterschaft im Zusammenspiel und am Ende aller Mixturen steht nun die Erkenntnis: Irgendwie ist alles Jazz und es muss swingen. It don't mean a thing if it aint got .... Auch Wildes Holz gehört zum Münsterländer Kosmos rund um Götz Alsmann und sein Epigonen und für die muss Musik Spaß machen und Freude bringen.

Bässer als die meisten Bassisten.
In diesem Paralleluniversum sind Wildes Holz die Schwermetaller, auch wenn sie ausschließlich mit hölzernen Instrumenten. Aber Achtung, Spaß kann es nur machen, wenn man sein Instrument beherrscht, sich selbst nicht so wichtig nimmt und deswegen den Spaß mit dem Publikum teilen kann. Darauf kommt es aber an, wenn man sich auf eine Bühne begibt.

Natürlich beherrschen Conrads und Reisige das Spiel mit Publikum, denn sie brauchen es, damit das Konzert für alle Beteiligte zum Erfolg. An diesem Abend wird nicht eine einzige Zeile gesungen. Die diversen Flöten übernehmen die Melodieführung und das Publikum blendet sich im Kopf den dazugehörigen Text ein und summt mit. Von der ersten bis zur letzten Minute funktioniert das einwandfrei, auch wenn die Kombinationen das Liedmaterials auf den ersten Blick abstrus erscheinen.

Als dann auch noch "Jingle Bells" und "Hells Bells" kombiniert werden und Tobias Reisige in Angus-Young-Manier über die Bühne rockt, gehen die Arme mit dem Doppelfinger nach oben. Danach kann nix mehr kommen, als frenetischer Applaus.   



Link 1: Wildes Holz bei den Jazzfreunden Osterode

Link 2: Wildes Holz noch einmal bei den Jazzfreunden Osterode


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