Getanzte Clara
Ballettkompanie Nordhausen überzeugt mit getanzter Biografie
Clara Schumann gehört zu den tragischen Figuren der europäischen Musikgeschichte. Erst in den letzten 20 Jahren ist das Leben der Komponistin, der Musikerin, der Frau von Robert Schumann und Geliebte von Johannes Brahms in den Fokus der Öffentlichkeit gekommen. Mit "Geliebte Clara" hat Jutta Ebnother in Nordhausen ein Tanztheater inszeniert, dass die entscheidenden Momente der Biografie verständnisvoll nachtanzt. Die Rebellion bleibt aus. Am Ende fügt sich auch diese Clara in das Rollenbild des 19. Jahrhunderts.Ist es nun ein Ballettabend oder schon ein Konzert? Diese Frage bleibt bis zum Schluss unbeantwortet. Vielleicht muss man hier auch keine Antwort finden. Auf jeden Fall ist die Musik von Clara Schumann, von Robert Schumann und im zweiten von Johannes Brahms ein bestimmendes Moment. Die Abstimmung zwischen den Akteuren auf der Bühne und im Orchestergraben funktionierte beim der Premiere auf jeden Fall bestens. Das Dirigat von Markus L. Frank und die Choreographie von Jutta Ebnother ergänzen sich kongenial.
Vater Wieck klammert sich an
seine Tochter Clara.
Alle Fotos: András Dobi
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Somit geht der Blick dieses Tanztheaters folgerichtig in die Seelen seiner Protagonisten. Jutta Ebnother greift in ihrer Choreografie viele Ausdrucksmittel des klassischen Balletts auf. Vor der Pause dominieren runde, fließende Bewegungen, Hebefiguren und Duette. Folgerichtig tritt die Moderne nur dann auf, wenn es Risse in der scheinbaren Idylle gibt, wenn sich Abgründe auftun.
Hände spielen eine große Rolle in der Choreografie, Hände und flinke Finger, schließlich geht es ja auch um Musiker, um Klavierspieler und um ein Publikum als amorphe Masse in Schwarz, die applaudiert und auch fordert. Immer wieder stehen die Akteure einfach auf der Bühne und lassen die Hände sprechen, weiße Hände, die vor dunklen Hintergrund dahin fliegen.
Die schwierigste Rolle in dieser Inszenierung hat wohl András Virág. Er tanzt den Friedrich Wieck, Claras Vater, der sein Kind nach der gescheiterten Ehe zum musikalischen Wunderkind dressieren will. Gravitätsch und im Bratenrock stolzier er über die Bühne beim Duett führt er Yoko Takahashi wie eine Marionette, er hebt sie gen Himmel empor und klammert dann wieder. Sind das Vater und Tochter oder Mann und Geliebte? Auf jeden Fall gibt es auch die inzestösen Momente. Mit dieser Choreographie lotet Jutta Ebnother die Tiefen und Untiefen der 'V'ater-Tochter-Beziehungen aus.
Der Höhepunkt des ersten Akts ist sicherlich die Ménage à trois, als Wieck und Robert Schumann um Clara kämpfen, an ihr zerren, sie verschieben, sie zum Spielball ihrer unterschiedlichen Projektionen machen. Das ist getanztes Rollenverständnis in getanzter Form. Die Innerlichkeit wird zur Äußerlichkeit und dies sicherlich einer dynamischen Momente an diesem Abend.
Das Schicksal von Yoko Takahashi ist es, herumgereicht zu werden an diesem Abend. Es gibt nur wenige Momente, an denen sie nicht wie eine Puppe wirkt. Da sind die Soli im ersten und im zweiten Akt. Im ersten steckt sie voller Euphorie und Freuden mit großen raumgreifenden Bewegungen. Im zweiten ist sie in sich versunken. Im Duett mit Kirill Kalashnikov als Johannes Brahms tanzt Yoko Takahashi tagträumerisch wie befreit auf. Um so größer ist jedoch die Fallhöhe als sie auf die Realität trifft.
Robert und Clara Schumann erleben ein letztes Mal das Glück der Liebe. Foto: Dubi |
Aber diese dunkle Seite des Robert Schumann war den ganzen Abend auf der Bühne. Denn Fem Rosa Has tanzt als Spiegelbild des Komponisten im Hintergrund immer mit. Das ist die leitende Idee dieser Eigenproduktion. Das alter ego, das andere Ich ist immer dabei, egal wo hier hingehen. Es gibt Momente der Entscheidung, in denen es an die Rampe tritt, sich nach vorne drängt und sichtbar für alle wird. Dann übernimmt es auch die Regentschaft. Nirgends wird es deutlicher, als Virág, Takahashi und Has noch einmal das Motiv der Ménage à trois aufgreifen. Doch bei diesem Kampf bleiben nur Verlierer zurück und das Dreigestirn fällt auseinander.
Auch das Bühnenbild von Ronald Winter birgt einige überzeugende Momente. Als biedermeierlicher Salon konzipiert kann man die ins Endlose verzerrte Perspektive auch als ein finstere Loch erleben. Dann wieder schieben sich Wände wieder in Richtung Rampe, verknappen den Raum auf ein Minimum und machen aus dem Salon ein Puppenheim oder sind das Gefängnis des Schumannschen Wahns.
Geliebte Clara, das Ballett
Clara Schumann bei wikipedia
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