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Leicht und bunt wie ein Ballon

Rike Reiniger inszeniert einen traumhaften Luftballonverkäufer

Poesie, Philosophie und Theater und alles zusammen in 45 Minuten und dann auch noch für Kinder. Kann das gut gehen? Ja, das kann es. Das beweißt die Inszenierung von "Der Luftballonverkäufer" am Theater unterm Dach. Zum Maus Türöffner Tag gab es noch einmal ein Sondervorstellung voller Zauber und Poesie. Traumhaft schön und leicht gibt es die Antwort auf die allerletzte aller Frage: "Wo landen die Luftballons, wenn sie davon geflogen sind".
Die Freundinnen Antonella (Uta Haase) und Margherita (Bianca Sue Henne) erzählen die Geschichte vom Luftballonverkäufer Alberto. Jeden Tag bläst er die Ballons auf, bindet sie fest und stellt sich dann auf seinem Platz. Jeden Kind, dass ihm ein Geldstück gibt, gibt er einen Ballon. Sie berichten von seinem Abenteuer, das begann, als der Wind ihn und sein 400 Ballons davontrug. Auf dem Planet der verlorenen Spielsachen fand er unter den drei Sonnen alles das, was die Kinder vermissen. Dazu gehören auch die Luftballons, die davon geflogen sind. Er rettet den Planeten vor dem Angriff der Wespen und kehrt als stiller Held zurück. Dann steht er wieder auf dem Platz und gibt jedem Kind, das ihm ein Geldstück gibt, einen Luftballon.
Margheritha und Antonnella haben Spaß mit Ballons.
Alle Fotos: A. D. Wagner
Das ist die pure und knappe Geschichte des Stücks von Roberto Frabetti. Aber entscheidend ist die Erzählweise und die ist in der Inszenierung von Rike Reiniger voller Poesie und Leichtigkeit. Auf der Bühne steht die Puppe Alberto mit seinen Luftballons, hinter ihm drei Wände. Aus dem Off erklingt das Akkordeon aus "Sous le ciel de Paris". Für die Kinder klingt es nach Zirkus, die Erwachsenen träumen vom Mut zum Fernweh. Antonella und Margheritha betreten die Bühne. Stumm und nur mit den Mitteln der Pantomime schaffen Uta Haase und Binanca Sue Henne es, den Charme einer Piazza, lichtdurchflutet und voll mit Menschen und mit viel Winke Winke ins Theater unterm Dach zu zaubern. Sie erkennen sich, tauschen Gesprächsfetzen aus und beginnen einen Tanz mit den Luftballons. Federleicht. Kindlich. Es ist schon erstaunlich, was man so alles mit einem Stück aufgeblasenes Gummi machen kann.
Da steckt Sprechtheater und Pantomime drin, Akrobatik und Clownerie und ein wenig Figurentheater. Später kommt auch noch Schattenspiel dazu. Diese gelungen Mischung macht die Inszenierung für Kinder spannend, das meint zumindest der härteste aller Kritiker und der ist ausgesprochener Experte in Sachen Kurzweil und Kindertheater.
Die Rollen sind klar verteilt. Margheritha ist die Bescheidwisserin, Antonella ist der Clown, der nicht einmal Luftballons aufblasen kann. Eindeutig Identifikationsangebote Schön, dass diese Rollenverteilung  zum Schluss aber kippt.
Zum Schluss stehen alle wieder auf ihren Plätzen.
Foto: Anja Daniela Wagner
Margheritha beginnt mit der Erzählung, Antonella darf die Sätze zu Ende bringen. Die Sprechweise ist kindgerecht aber nicht kindisch. So reden eben zwei Freundinnen, wenn sie gemeinsam eine Geschichte erfinden. Oder sich die wirklich elementaren Fragen stellen.
Die Menschheit weiß, wie viel Licht wiegt und kennt noch ganz andere Antworten aus Physik und Chemie, die kein Kind braucht. Aber warum der Schatten eines Elefanten riesengroß und trotzdem federleicht ist oder was mit den Ballons passiert, wenn sie weg geflogen sind, darauf wissen Erwachsene keine Antwort. Gut, dass Alberto nun zumindest eine Antwort kennt und gut, dass Philosophie so unterhaltsam sein kann.
Doch, manchmal stockt der Text, machen die Protagonistinnen eine kurze Sprechpause, könne sich das Nachdenken und dann geht es weiter. Der härsteste aller Kritiker muss sich diesem Workshop-Anteil erst erklären lassen. Sein Vater findet aber Gefallen an der Illusion, dass die Geschichte offen ist und an einigen Stellen eine überraschende Wendung nehmen könnte.
Aber nein, natürlich gibt es ein Happy End. Alberto überlistet die Wespen und rettet den Planet der verloren gegangenen Spielsachen. Dann steht er wieder auf seinem Platz und alles hat am Ende wieder seine Ordnung. Nur wir, die stillen Beobachter,  und Alberto, wir wissen, was passiert ist. Das Verschwörergetue verbindet.
Das Akkordeon summt vom Himmel über Paris und die Erwachsenen träumen vom Mut zum Fernweh. Der härteste aller Kritiker gibt 4 von 5 Luftballons.
Da wird man ganz schwermütig, weil "Der Lufballonverkäufer" aus dem Spielplan am Theater Nordhausen verschwunden ist. Was würde eigentlich Alberto sagen, wenn wir, der härteste aller Kritiker und alle anderen eine Petition starten?


Das Stück am Theater Nordhausen
Antonella: Uta Haase
Margheritha: Bianca Sue Henne

Inszenierung: Rike Reiniger

Andere Meinungen vom härtesten aller Kritiker

Der härteste aller Kritiker - Teil eins
Der härteste aller Kritiker - Teil zwei
Der härteste aller Kritiker - Teil drei
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Der härteste aller Kritiker - Teil neun
Der härteste aller Kritiker - Teil zehn


  

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