Donnerstag, 4. August 2016

Musik erlaufen

Die Chursächsische Kapelle im wandelt Kloster Walkenried


Doch, doch, man kann einen Überraschungserfolg wiederholen. Wenn nicht als Überraschung, so doch zmindest als Erfolg. Dies bewies das Wandelkonzert im Kloster Walkenried im Juli. Die Chursächsische Capelle aus Leipzig konnte beim italienischen Abend  auch 2016 konzeptionell und musikalisch überzeugen.

Wandelkonzert? Die Musik findet nicht nur auf der Bühne statt. Das Ensemble wandelt durch das Gebäude und über das Gelände. Sie finden sich immer wieder an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Formationen zusammen. Dann wird musiziert und jedes Mal entsteht ein einmaliges Klangbild und ein einmaliges Erlebnis. Dem Postulat nach stetiger und gleichförmiger Reproduktion setzt die Chursächsische Capelle die Idee des ganz Besonderen entgegen.

In der Abtskapelle kamen sich Künstler
und Publikum nah.  Alle Fotos: tok
Künstler und Publikum erarbeiten sich so gemeinsam die unterschiedlichen Klangräume. Sie erleben den genius loci, den Geist eines Ortes, auf völlig neue Weise. Das Konzept scheint maßgeschneidert für Walkenried. Weil es auf der Klosteranlage eben so viele unterschiedliche Orte gibt, gab es am Samstag auch so viele unterschiedliche und einmalige Erlebnisse.

Es gibt viel zu entdecken, unterschiedliche Geister werden an diesem Abend geweckt. Beate Rüllecke spielt am Cembalo im Kreuzgang Etüden, Akkorde und kurze Lieder. Hier wartet ein kontemplativer, ein in sich gekehter Genius loci auf die Zuhörer, ganz wie in den Zeiten, als in Walkenried noch Klosterbetrieb herrschte.

Das Licht im Kapitelsaal ist gedimmt, nur zwei Säulen strahlen in violett, die Farbe der Buße. Zur Ruhe und zur Besinnung laden Amber McPherson und Klaus Bundies her mit ihren Streicherduetten ein.

Das Stelldichein mit Frank Pschicholz ist eher intim. Sechs Sitzplätze und fürn Stehplätze passen gerade mal ins Archiv. In der Enge des Gemäuers entführt er sein Publikum mit Lieder zur Laute in die Renaissance.

Ein anderes Ambiente bietet das Außengelände. Es herrscht Gartenfeststimmung bei dem den Streiche-Sonetten mit Anne Schumann, Britta Gemmecker an den Geigen und Felix Görg am Cello. Mit heiteren Werken aus dem Barock beschwören sie den Geist des Sommers. Die Schranken zwischen Künstler und Publikum sind hier aufgehoben. Man scherzt miteinander und teilt die Freude an diesem gelungenen Abend.

Ebenso heiter geht es an der langen Tafel am Badehaus zu. Klaus Bona, Christine Trinks und Rhoda Patrick begleiten die kulinarischen Genüsse der Zuhörer mit Violine und Fagott. Es fällt nicht schwer, sich auf ein barockes Fest hinweg zu träumen. Bei Antipasti und Vion ist die Stimmung locker, über all entstehen Gespräche, die Zuhörer werden zu Miteinander-Rednern.  Wer hier keinen Platz findet, der führt seinen Austausch im Klostergarten weiter.

Zum Schluss ging es wieder auf die
Bühne. 
Wandelkonzert? Eigentlich ist der Begriff zu kurz gefasst. Der italienische Abend im Kloster Walkenried ist ein barockes Fest für alle Sinne und alle Ansprüche, komprimiert auf drei Stunden und ohne Kleiderordnung. Eingerahmt wird das Fest von zwei Bühnenauftritten. Im Kreuzgang gibt es Stücke vor dem Essen und drei nach dem Essen.

Vivaldi steht gleich zweimal auf dem musikalischen Speiseplan. Anspruch des Orchesters unter der Leitung von Anne Schumann ist es, auf historischen Instrumenten hauptsächlich vergessene Werke der Barockmusik aufzuführen. An einem italienischen Abend mit acht Streichern kommt man nicht an dem Venezianer vorbei. Vivaldi ist nicht der Erfinder des Violinenkonzertes, aber dessen erster Hohepriester.

Auch die Forderung nach historischen Instrumenten lässt sich nur bedingt umsetzten. Aber mit der Barockgitarre in der Bass-Gruppe und zwei Viola da Spalle unter den Streicher hat die Chrusächsische Capelle eine sehr eigens Klangbild. Es ist rund und weich, vermeidet die spitzen Obertöne einer klassischen Besetzung und ist sehr nah am Barock.

Auf alle Fälle findet es das Gefallen des Publikums. Überhaupt scheint schon beim zweiten Auftritt eine innige Beziehung zwischen Auditoruim und Ensemble entstanden zu sein. Weil man gute Freunde nicht so einfach gehen lässt, muss die Chursächsische Capelle noch zweimal auf die Bühne, bevor es in einen lauen Sommerabend entlassen wird.


Die Chursächsische Capelle

Die Kreuzgangkonzerte


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