Eine Inszenierung voller Tempo auf der Waldbühne Benneckenstein.
Das Bühnenbild von Hannes Hartmann sorgt für Hingucker. Es ist auf das nötigste reduziert. Eine weiße Bühne wird von einer weiße Wand begrenzt. Links oben blinkt eine Videoinstallation, rechts führt eine Tür in den Bühnenhintergrund. Auf der Bühne links eine junge Birke, rechts ein Wasserbecken. Später werden einige Akteure versuchen, sich hier zu reinigen.
Das Ganze ist von einem Baugerüst umrahmt. Auf jeden Fall machen Liebetruth und Hartmann deutlich, das es hier um elementare Dinge. Nichts unnötiges soll vom Text ablenken. Das Gerüst dient auch als Balkon und macht den Kunstgriff möglich, die Kontrahenten Karl und Franz Mohr gleichzeitig auftreten zu lassen, ohne dass sie sich auf der Bühne begegnen
Gerrit Neuhaus ist als Franz Mohr die beherrschende Figur auf der Bühne. Alle Fotos: tok |
Dann betritt Angelika Böttiger die Bühne. Sie spielt die Maximillia Mohr, die Mutter der beiden Kontrahenten Franz und Karl. Mit der Einführung der Gräfin anstelle des Grafen haben Regisseur Janek Liebetruth und Dramaturgin Lisa Friedrich eine wichtige Verschiebung vorgenommen. Aus dem Vater-Sohn-Konflikt wird ein Streit von Mutter und Sohn. Der Konflikt verschärft sich, er wird elementarer.
Der Streit ist grundsätzlicher Natur. dies wird in Franz “Was hat sie aus mir gemacht”-Monolog mehr als deutlich. Hier kommt Neuhaus Beherrschung der Sprache, sein punktgenaues Setzen von Akzenten und Pausen voll zur Geltung. Und der Konflikt löst sich nur durch Gewalt lösen. Das ist die eindrückliche Aussage, als Franz Mohr seine Mutter mit den Füßen von der Bühne stößt. Es ist ein Verstoß gegen die göttliche Ordnung und das Publikum kann nur noch mit Hilflosigkeit antworten.
Mark Pohl verleiht dem Spiegelberg viel Tiefe. |
Nun stürmen die Räuber das Bühnenrund. Doch es sind keine Wegelagerer des 18. Jahrhunderts. Sie gebärden sich wie Aktivisten des 21. Jahrhunderts. Noch kämpfen sie für den freien Zugang zum Wald, aber es könnten auch Tierrechte oder Mietpreise sein, die bald auf der Agenda stehen. Es ist eine Horde zorniger junger Männer. Dies macht vor allem Benjamin Kramme deutlich. Sein Karl Mohr ist ist an der Grenze zum Berserker angelegt. Er befindet sich permanent in Lauerstellung und drückt vor allem Alarm aus. Seine Stimme befindet sich permanent am oberen Limit. Erst beim heimlichen Treffen mit der geliebten Amalia darf er die Stimme senken. Schade, dass Kramme sein Potential nur andeuten darf.
Ganz anders hingegen agiert Ulrike Knobloch in der Rolle der Amalia. Gestik und Mimik sind ihre Mittel und damit wechselt sie glaubhaft zwischen standhaft und verzweifelt und damit kann sie die leisen Tönen setzen und für das Innehalten in dieser atemlosen Inszenierung sorgen. Für das Ying und Yang braucht es eben auch solche Pole.
Mark Pohl darf auf allen Ebenen zeigen, was er kann. Er kann auf ein reichen Schatz an Gestik. Mimik und Stimme zurückgreifen und verleiht dem Räuber Moritz Spiegelberg damit eine Tiefe, die nicht alle erreichen. Er kann poltern und raufen, er kann auch flüstern und einschmeicheln. Pohl kann so den Wandel der Aktivistengruppe zur Terroreinheit am besten verdeutlichen. Es ist schon erstaunlich, welch starkes Ensemble hier auftritt.
Liebetruth und Friedrichs bleiben beim Versmaß der Vorlage, aber im Text machen sie Ergänzungen, die den nahtlosen Übergang in die Postmoderne möglich macht. Beiden gelingt eine Weiterentwicklung ohne Bruch. Schiller muss nicht als Schülertheater daher kommen, er liefert immer noch Aussagen zur Zeit. Man muss sie nur aufdecken und Parallelen ziehen. Genau dies ist Janek Liebetruth mit dieser Inszenierung gelungen
Amalia will ganz eindeutig nichts von Franz wissen. |
Weil sich Liebetruth in seiner Inszenierung aktueller Stilmittel bedient, kann er den Konflikt der Brüder noch zuspitzen. Im Original treffen sich Karl und Franz nie auf der Bühne. In Benneckenstein ist immer einer von beiden als Einblendung auf der Videowand allgegenwärtig. Wie das Auge Gottes wacht er über das Treiben der Anderen.
Berühmt wurden “Die Räuber” weil Schiller eine bis dahin unbekannte Rasanz auf die Bühne brachte. Die Inszenierung in Benneckenstein legt zumindest in den ersten drei Akten ein sehr hohes Tempo an den Tag, aber dann zeigt sich doch noch dramaturgisches Potential.bis zum Finale zieht es sich. Denn Publikum ist das an diesem Abend egal. Dankbar für diese erfrischende Inszenierung spendet es minutenlang Applaus. Sachsen-Anhalts Kulturstaatsekretär hat es schon deutlich gemacht, das Land wird das Festival auch im nächsten Jahr unterstützen. Bei solchen Aufführungen ist das Geld gut angelegt.
Das TheaterNatur-Festival
Der Spielplan 2016
Regisseur Janek Liebetruth
Schiller Räuber bei wikipedia
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