Eine Annäherung an Giora Feidman und das Rastrelli Cello Quartett
Am letzten Samstag habe ich wieder das Phänomen gesehen. Giora Feidman und das Rastrelli Cello Quartett verzauberten ein dankbares Publikum im Klostergarten Walkenreid. Erst nach minutenlangen stehenden Ovationen durften der Meister und seine Mitstreiter die Bühne verlassen. Aber warum schafft er das immer wieder, egal mit wem er spielt
Einige Erklräungsversuche. Zum einem konnte sich die Musikwelt über Feidmans 80. Geburtstag freuen, zum anderen war er nach eigener Zählung zum zehnten Mal in Walkenried. In dieser Zeit hat sich der Mann mit der Klarinette sein Publikum erzogen. Feidman und Walkenried, das ist wie ein altes Ehepaar. Man weiß, was man voneinander zu erwarten hat. Aber es ist ein Ehepaar, dessen innige Liebe zueinander in all den Jahren noch gewachsen ist.
Feidman hat einen guten Draht nach oben, sagt er.
Alle Fotos: tok
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Aber vier Celli in einem Paket? Kann das überhaupt funktionieren? Kommt da nicht zu viel nervtötender Gleichklang heraus? Nein, keine Angst. Jedes Instrument klingt im tutti eine Nuance anders. Jeder der vier Musiker spielt seine Instrument den berühmten Tuck anders und damit ergibt sich ein umfassendes Klangbild.
Das Auditorium blickt gespannt auf die Bühne, die vier Musiker aus Russland und Weißrussland treten auf. Doch wo ist Feidman? Dann nähern sich von links die leisen Klagetöne einer Klarinette. Feidman schreitet um die Ecke und das Publikum ist begeistert. Dieses Intro hat er in Walkenried schon mehrfach gewählt, doch seine Wirkung erzielt es immer noch. “Ihr und ich, wir bewegen uns auf Augenhöhe”, lautet die Botschaft. Erst dann steigt der Meister zu den Mitmusiker auf die Bühne.
Das Programm heißt “Klezmer Brigdes” und es schlägt eben jene Brücken zwischen den Musikstilen, mit denen sich Feidman seit 60 Jahren beschäftigt und mit denen sich auch das Rastrelli Cello Quartett seit mehr als 12 Jahren beschäftigt. Es ist eine Mischung aus Klezmer, der jüdischen Musik Osteuropas, es ist jede Menge Jazz in unterschiedlichen Stilrichtung und auch ein wenig Pop und Romantik dabei.
Man kann ein Cello auch halten wie Dajngo Reinhardt einst seine Gitarre. |
Aber Feidman und das Quartett bieten keinen konturlosen Mischmasch. Sie zeigen Verwandtschaften zwischen den Musikrichtungen auf und überwinden Grenzen und sie spielen mit den Versatzstücken dieser Stile. Manchmal agiert Feidman atonal wie ein Freejazzer, mal klingen die Celli wie eine Heavy Metal Gitarre.
Feidman ist ein Teamplayer. Immer wieder tritt er zur Seite und gibt dem Rastrelli Quartett den nötigen Platz, spendet Szenenapplaus und feuert an. Schließlich sei es das beste Quartett der Welt, versichert er glaubwürdig. die vier zeigen dann beim Jazz-Klassiker “Take five” was so alles möglich ist. Da wird gezupft, gestrichen und geschrammelt was die Saite aushält. So hätte wohl Jimi Hendrix Cello gespielt, wenn er denn eins gehabt hätte. Und trotzdem finden vier immer wieder zueinander und bauen die bekannten Phrasen aus.
Gleich danach wird es ruhiger. Auf dem Spielplan steht “Donna Donna” und alle Beteiligten wissen, was sie zu leisten haben. Auf ein Handzeichen von Feidman hin singt und summt das Publikum den Refrain in den Abendhimmel. Man ist aufeinander eingespielt. Später wird sich das Schauspiel noch einmal wiederholen. Das Konzert ist eine Gesamtleistung von Künstler und Auditorium.
Ist Giora Feidman ein Magier, der aus seinem Instrument Töne hervorzaubert wie kein anderer. Auf jeden Fall gibt er allen die Illusion, er würde nur für sie spielen. Alle Anwesenden glauben das gern, obwohl er doch für die ganze Menschheit spielt. Auf jeden Fall haben alle am Ende die Gewissheit, dass sie Teil einer einmaligen Inszenierung, eines ganz besonderen Momentes waren. Wie auch schon beim letzten Auftritt in Walkenried und wie wohl auch bei seinem nächsten.
Feidman kann auch Bässer. |
Feidman ist aber auch ein politischer Mensch, ein Mensch mit einer klaren Botschaft und die lautet “Frieden für alle und überall”. Diese Botschaft verklausuliert er nicht in Reden, sondern lässt sie lebendig werden in der Musik, die er mit dem Rastrelli Quartett und mit dem Zuhörern teilt. Wie einfach das Leben doch sein könnte, das macht der Louis-Armstrong-Klassiker “What a wunderful world” überdeutlich. In sich versunken singt Feidman mit der Klarinette den Text von der Schönheit der Natur, der Freundlichkeit der Menschen und dem Zauber der Neugeborenen.
Auf alle Fälle ist Giora Feidman auch ein Entertainer der anderen Art. Einer, der mit wenigen Worten authentische Geschichten und ewige Weisheiten erzählt. Wenn er nicht Musiker geworden wäre, dann wäre er wohl Milchmann geworden und hieße Tevje.
Aber Giora Feidman ist eben Musiker geworden. Mit seinem Instrument streichelt er an diesem Abend die gereizten Seelen seiner Fans. Feidman ist vor allem ein Mensch mit einem sehr, sehr großen Herzen in dem alle Platz haben: Israelis, Deutsche, Palästinenser, Juden, Christen und die gesamte Menschheit.
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