Mittwoch, 20. April 2022

Dieser Elch hat sich überlebt

Trotz Neuerungen zeigt die Preisverleihung akuten Neuerungsbedarf

Seit 25 Jahren gibt es den „Göttinger Elch“. Am Sonntag wurde Deutschlands einziger Satirepreis im Deutschen Theater verliehen. Trotz einiger Neuerungen zum Geburtstag wurde deutlich, dass das Prozedere einige Korrekturen braucht, damit der „Göttinger Elch“ lebendig bleibt.

Als Preisträgerin 2021 wurde Maren Kroymann ausgezeichnet. Preisträger für das Jahr 2022 ist Eugen Egner. Corona-bedingt gab es 2020 keinen Preisträger.

Maren Kroymann zeigte sich bei ihrer Dankesrede glücklich. Sie sei vor allem darüber froh, dass es unter ihren zahlreichen Auszeichnungen der erste Preis sei, der ihr nicht im Zusammenhang mit einer Fernsehsendung verliehen wurde. Zudem bedankte sie sich bei all denjenigen, die sie beim Karrierestart Mitte der 80-er Jahre unterstützt hatten.

Maren Kroymann hat mit dem Programm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ 1982 die Bühne betreten. Sie bot als erste Kabarettistin einen Zugang, der nicht so verkopft war wie die Programme der Schwergewichte Dieter Hildebrandt oder Hanns Dieter Hüsch.

Sie war auch die erste Frau im deutschen Fernsehen, die ab 1993 mit der gleichnamigen Sendung ein eigenes Format auf Sendung hatte. Hildebrandt und Hüsch hat sie überlebt und stilbildend war Maren Kroymann mit ihrem leichteren Ansatz zur gesellschaftlichen Kritik bestimmt. Dafür bekam sie 2021 den Göttinger Elch, dessen Verleihung nun nachgeholt wurde.

Anders sieht es mit Eugen Egner aus. Der gehört eher in die Kategorie Geheimtipp. Obwohl der Zeichner und Musiker aus Wuppertal 1971 einen formidablen Start hingelegte, ist er nie ins Licht der großen Öffentlichkeit gerückt. Seine Zeichnungen und Karikaturen sind von surrealen Elementen geprägt. Stilistisch verharrt Egner in der Ästhetik der legendären U-Comix. Seit 30 Jahren herrscht hier Stillstand und Reproduktion. Damit ist die Rubrik „Spartenprogramm“ vorprogrammiert.

Scheinbar hat die Corona-Pause dem Elch den Stecker gezogen. Es ist eine Preisverleihung wie Hunderte andere auch. Das anarchistische Moment der vergangenen Jahre ist hinweg. Auch das skurrile Element ist Geschichte. Man verzichtet auch in diesem Jahr auf die Übergabe von 99 Dosen Elchsuppe.

Stattdessen dürfen sich die aktuellen und künftigen Preisträger fortan ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Auch die ehemals Geehrten dürfen das nachholen, sofern sie noch leben. Damit ist der Göttinger Elch in der bildungsbürgerlichen Normalität angekommen und das ist eigentlich nicht sein Biotop.

Gelobte oben links, Lobredner und Elch ganz klein.
Foto: Thomas Kügler

Wie so vieles rund um den Göttinger Elch liegt der Schlüssel dazu in der Vergangenheit. Das ist bei einem Preis für das Lebenswerk nicht überraschend. Aber an diesem Abend fällt immer wieder der Name „Titanic“. Irgendwie ist alles mit dem Magazin aus Frankfurt verknüpft. Der Chefredakteur darf zum Schluss noch eine Laudatio auf seinen freien Mitarbeiter Eugen Egner halten.

Überhaupt ist die Liste der Preisträger randvoll mit den Vertretern der „Neuen Frankfurter Schule“. Es sieht so aus, als ob die „Titanic“ aus Sicht des Göttinger Elchs das Monopol auf Satire in Deutschland hat. Dieses Magazin ist für den Göttinger Elch das Zentralgestirn seines humoristischen Universums. Dabei ist es eher zu einer Parallelwelt geworden. "Aus der Zeit gefallen" ist eine in den letzten Jahren überstrapazierte Formulierung. Auf diese Veranstaltung trifft sie ohne Einschränkung zu.

Dass es mit dem „Eulenspiegel“ einen weiteren Vertreter aus diesem Genre gibt, der sich sogar besser am Markt behauptet, hat man in der Jury aus lauter Westdeutschen noch nicht wahrgenommen. Somit verwundert es nicht, dass sich selbst im Jahre 32 der deutschen Einheit immer noch kein Satiriker oder Satirikerin aus Ostdeutschland im Reigen der Göttinger Elche findet. Dieser wird dominiert von Künstlerinnen und Künstlern, die zwischen den späten 70ern und den frühen 90ern prägend waren.

Der Göttinger Elch ist in die Jahre gekommen und dies spiegelt sich auch im Publikum wider. Das wird von der Generation Ü 60 dominiert. Ein Milieu feiert hier die Helden der einst rebellischen Jugend. Damals hätte man wohl gegen solche Veranstaltungen voller kleinbürgerlicher Selbstzufriedenheit demonstriert.

Georg Haderer, Preisträger 2019, gibt dies unfreiwillig in der Lobrede auf seine Nachfolgerin Kroymann zu. Er bemüht die alten Zeiten und warnt vor den Veränderungen der Jetztzeit. Gegen die Verflachung der Komik müsse man Haltung zeigen. Dass seine Adressaten ein fester Bestandteil des kapitalistischen System ist, gegen dass man weiter opponieren sollten, kann er nicht sehen. Dabei ist seine Videobotschaft noch ein Highlight an diesem Abend.

Ein anderer Höhepunkt ist die Laudatio von Hans Zippert auf Maren Kroymann. Der Kolumnist der „Welt“ stellt unter Beweis, warum er zu den Besten seiner Zunft gehört. Schließlich hat er schon Mitte der 90-er Jahre den Befreiungsschlag aus dem „Titanic“-Sumpf geschafft. Humorvoll und mit jeder Menge Selbstironie blickt er auf die Zusammenarbeit mit Maren Kroymann zurück und versichert glaubhaft, dass er auf weitere Kooperation baut.

Auf der Bühne trifft Bundesliga auf Kreisliga. Moderator des Abends ist der Lokalheld Lars Wätzold und ihm gehen Witz, Selbstironie und Grandezza völlig ab. Stattdessen kalauert er sich mit Anspielungen durch die Veranstaltung, die nur diejenigen verstehen, die wie er zum „Inner Circle“ gehören. Mit seinem Publikum kann er sich immer wieder versichern, auf der richtigen Seite der Debatten zu stehen 

Den größten Lacher produziert noch die Frage eines Zuschauers. Der möchte von Wätzold wissen, warum sich ausgerechnet die städtische Sparkasse nicht mehr an dieser städtischen Auszeichnung beteiligt. Eine Antwort bekommen er und das Publikum aber nicht.

Stattdessen beteuert man sich immer wieder gegenseitig die eigene Überlegenheit im Vergleich zur Welt da draußen. Damit ist der „Göttinger Elch“ zur eigenen Karikatur geworden. Manfred Deix hätte seine Freude an diesen bildungsbürgerlichen Ritualen. Doch als Preisträger kommt der aus natürlichen Gründen nicht mehr in Frage.

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