Theater Rudolstadt zeigt in Nordhausen einen kompletten Amadeus
“Amadeus”
ist ein Monolith. Seit der oscarprämierten Verfilmung von Milos
Forman ist es ein Wagnis, das Theaterstück von Peter Shaffer
aufzugreifen. Das Publikum kommt mit fertigen Bildern in die
Vorstellung. Das Theater Rudolstadt hat es trotzdem gewagt und
gewonnen. Am Freitag stellte das Ensemble unter der Leitung von
Jürgen Pröckel sein Intrigenspiel um Salieri und Mozart im
Theater Nordhausen vor. Dieser “Amadeus” ist ein Puzzle aus
lauter kleinen Perlen und es ist ein komplettes Stück. Dort wo
die Verfilmung von Milos Forman eindimensional wirkt, überzeugt die
Thüringer Inszenierung mit Tiefe und Vielschichtigkeit.
Am
eindrucksvollsten zeigt dies Johannes Arpe in der Rolle des
vermeintlichen Bösewicht Antonio Salieri. Er bespielt die gesamte
Klaviatur von Begeisterung bis Verzweiflung, von Freundschaft bis
Niedertracht, er beherrscht die lauten Szenen und die stillen Momente
und er nutzt die große, raumgreifende Geste. Wirklich ebenbürtig
ist ihm nur Anna Oussankina als Constanze Weber, Mozarts geliebtes
“Stanzerl”. Und so entscheidet eben das Aufeinandertreffen dieser
beiden Figuren vor der Pause das Stück.
Johannes Arpe kann die großen Gesten. Foto: Peter Scholz |
Bis
hierhin ist “Amadeus” ein bunter Reigen erstarrter Hofschranzen,
der Abgesang einer abgestorbenen Gesellschaft. Doch dann prallen
Constanze und Salieri aufeinander. Anschließend ist Stille und aus
dem Lustspiel wird die Studie zweier Männer auf der schiefen Bahn.
Was
düster endet, beginnt auch düster. Die Bühne zeigt ein
biedermeierliches Zimmer, die Möbelstücke sind mit Laken abgedeckt,
das Licht im besten Sinne funzelig, eindeutig ein Totenzimmer. Die
Seiten bilden riesige Paravents mit blau-goldenen Blumenmuster, ein
Gruß an die untergegangene Klassik. Salieri ist ein Greis, der im
Rollstuhl auf den Tod wartet. In diesen Rahmen wird das Stück am
Ende zurückkehren. Dazu zwischen wird Salieri als Erzähler und als
Akteur von seinem Pakt mit Gott, von seinen Begegnungen mit Wolfgang
Amadeus Mozart und seinen Intrigen gegen das Genie berichte. Er wird
erzählen, wie nun er das Besondere der Mozartschen Kompositionen
erkannt hat und wie er sich gegen Gott wendet, weil dieser ihm nicht
mit solch einem Talent gesegnet hat. Salieri kämpft nicht gegen
Mozart, er kämpft gegen Gott und den von Gott geliebten. Damit
steckt auch eine Menge Mephisto im Salieri.
Dieser
Amadeus, dieser Liebling Gottes ist im Grunde ein überdimensioniertes
Kind, ein anal fixierter Dauerpubertierender, ein Wirrkopf. Mit einer
einmaligen Gabe ausgestattet scheitert er jedoch an seiner mangelnden
sozialen Kompetenz, an seiner mangelnden Empathie und an seinen
überzogenen Ansprüchen an seine Umwelt und sich selbst. So einer
kann einfach nicht dazu gehören, das wird im zweiten Akt deutlich,
als Mozart mit dem bürgerlichen Sakko die höfische Kleiderordnung
verlässt. Damit steckt auch ein Stück Faust in Mozart. Dies weiß
Marcus Ostberg in der Titelrolle darzustellen, wobei der kindische
Anteil immer wieder Oberwasser bekommt.
Die Mozarts sind am Ende. Foto: Peter Scholz |
Fester
Bestandteil des Spiel , aber auch des Bühnenbild sind die Thüringer
Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt bereit. “Amadeus” ist ein Stück
über Genuss und Fluch der Musik und es ist ein Stück mit
Live-Musik. Kongenial ergänzen ergänzt das Orchester unter der
Leitung von Oliver Weder dasGeschehen auf der Bühne. Es entsteht ein
einzigartiger Dialog aus Drama und Musik. Die Klangproben aus Mozarts
Werk passen sich ein in dieses Puzzle aus kleinen Perlen. Besonders
die Operenstudien von Ute Ziemer und Roland Hartmann bleiben in
Erinnerung.
Zum
Schluss darf der Zuschauer entscheiden, ob Mozart nun das Opfer einer
Giftattacke war oder ob Salieri diese Gerücht selbst in Umlauf
gebracht, um seinen Namen auf ewig und im negativen Sinne mit Amadeus
zu verknüpfen. Diese Freiheit des Zuschauers, großartige
Schauspieler, eine Ausstattung mit soviel Kostümtheater wie nötig,
mit einem Bühnenbild, das die Opulenz des 18. Jahrhunderts passend
wiedergibt, das sind die Stärken der Rudolstädter Inszenierung.
In Nordhausen ist "Amadeus" noch am 5. und am 12. Mai zu sehen. Der Spielplan.
Das Theater Rudolstadt und die Thüringer Symphoniker
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