Donnerstag, 4. April 2013

Wagner wird überschätzt und Goethe auch

Psychogramm eines Mittelmäßigen – Der Kontrabass in Nordhausen


Seit 30 Jahren gehört „Der Kontrabass“ zu den populärsten Theaterstücken in deutscher Sprache. Nun hat Frank Sieckel das Ein-Mann-Stück für das Theater Nordhausen neu inszeniert. Am Ende bleibt ein tiefer Einblick in die Seele eines Mannes, der an seiner Mittelmäßigkeit verzweifelt.


Die Bühne ist sparsam möbliert: ein Stuhl, ein Sessel, eine Stereo-Anlage. Der Raum schallisoliert, damit der Moloch Großstadt draußen bleibt. Brahms spielt, der Bassist betritt die Bühne durch den Zuschauerraum. Der Alleindarsteller enthüllt den heimlichen Hauptdarsteller, seinen Kontrabass. Noch berichtet er über den Reiz und die Möglichkeiten des Instruments, von der Quart-Stimmung des Viersaiters. Am Kontrabass kommt niemand vorbei, er ist das Fundament des Orchesters. Ohne ihn verliert das Ensemble die Orientierung.


Der Musiker und das Objektes des Hasses. Foto: Sieckel
Doch die Fassade bröckelt. Zwischen Instrument und Bassist herrscht keine Liebesbeziehung. Es ist eine Zweckgemeinschaft um sich am unmusikalischen Vaters und der schwächlichen Mutter zu rächen. Einziger Lichtpunkt im Leben des verbeamteten Staatsmusikers ist die junge Sopranist Sarah. Doch die Liebe bleibt unerwidert weil sie geheim bleibt. Der Bassist redet sich nicht Rage.Der Musiker redet sich in die Depression. Je länger er spricht, desto deutlicher wird das Ausmaß seiner Verzweiflung. Versteckt im musikalischen Kollektiv und verzweifelnd am eigenen Mittelmaß überhöht er die neue Sopranistin als Zielscheibe seiner Begierde.


Jeder Mensch ist ein Universum. Im „Kontrabass“ entblättert Frank Sieckel langsam die dunklen Seiten dieser Galaxie. Auch wenn er anfangs ein wenig zuviel Präsenz bezeigt, so viele laute Töne spielt, so findet der Fernsehschauspieler und Theaterproduzent über das Spiel mit dem Publikum  immer besser in die Rolle. Es sind die leisen Momente, wenn die Verzweiflung in Zynimus umschlägt, die überzeugen. Es sind diese Momente, die Frank Sieckel mit erstarrter Mine wirken lässt. Das macht die Intensität seiner Inszenierung aus. Im Spiel von „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ erarbeitet der gebürtige Nordhäuser die Wechselbäder der Emotionen, wenn auf Euphorie Depression folgt. Man muss schon aufpassen, dass man den Schauspieler und seine Rolle auch am Ende noch sauber trennt.


Mit der Neuinszenierung ist Frank Sieckel eine neue Intensivierung des Kontrabasses gelungen. Vielleicht überzeugt das Stück auch, weil Regie, Inszenierung und Spiel in einer Person vereint sind. So wird Süskinds Klassiker teilweise zu Sickels Stück. Nur beim Bühnenbild hat der Akteur auf die Dienste von Roland Winter zurückgegriffen.

Nachtrag: Im Spielplan des Theaters Nordhausen ist das Stück derzeit nicht vertreten. Frank Sieckle ist mit dem Kontrabass aber auf Tournee. Es scheint sein Stück zu sein


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