Ein ganzer Kosmos an einem Abend
Viva Voce eröffnet die 35. Spielzeit der Kreuzgangkonzerte
Diese Jungs trauen sich was. In ihrem aktuellen Programm "Ein Stück des Weges" vereinen Viva Voce U2, Metallica und die Väter der Kirchenmusik und das klappt sogar. Deshalb gab es bei der Spielzeiteröffnung im Kloster Walkenried am Sonnabend jede Menge Applaus.Die ersten leisen Töne kommen gar nicht von vorne. Das Quintett hat sich im Rücken des Publikums aufgebaut, singt Gregorianik und macht dann eine Prozession durch die Sitzreihen zur Bühne. Das ist zwar nicht neu, sorgt aber für einen erste Aha-Effekt. Aber aller Besinnlichkeit und Weltvergessenheit überzeugt der Vortrag mit einer kraftvollen Darbietung.
Diese Herren haben ein Faible für stimmungsvolle Sakralbauten. Alle Fotos: Kügler |
Dann geht der Parforceritt durch die Genre weiter. Mit "Gentle Sheppard" steht ein Gospel auf dem Programm, doch anders als erwartet. Es gibt kein Schubbi-Doh-Bop und Körper, die sich ekstatisch wiegen. Es gibt Besinnung unplugged. Die fünf Sänger legen die Mikrofone beiseite und vertrauen ganz auf die Kraft ihrer Stimmen. Die erklimmen die höchsten Höhen im gotischen Gemäuer, um von dort auf das Publikum zu perlen.
Dafür wurde einst der Kreuzgang gebaut und Viva Voce weiß das gleich mehrfach bei diesem Konzert zu nutzen. Wie versprochen erwecken sie das Gemäuer und machen es zum Klangraum, der zum Teil der Inszenierung wird. Aber es ist auch der Beweis, dass Intendant Thomas Krause mit seiner Entscheidung, Chorgesang zum Schwerpunkt der Spielzeit 2018 zu machen, schon jetzt richtig liegt.
Nach dem Ausflug in die Einsamkeit des Daseins und in die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz kommt wieder ein Bruch.Das macht den Reiz des Programms aus. Gerade hat man sich auf ein Thema eingelassen, macht das Quartett einen Quantensprung. So arbeitet es in einem einzigen Konzert ein ganzen musikalischen Kosmos ab.
Heiko Benjes ist der Bass und der Intellektuelle in der Gang. Foto: Kügler |
Die Einführung übernimmt Heiko Benjes mit Augenzwinkern und mit satirischen Vokabeln aus der Abteilung "Pseudowissenschaftlich". Auch das ist ein Teil des Viva-Voce-Konzepts:Im Spiel mit dem Publikum erfüllt jeder eine Rolle. Heiko Benjes ist der Satiriker, Schwartzmanns der Mystiker, David Lugert ist der Sunnyboy und Charmeur und Basti Hupfer macht den Kaspar. Nur Matthias Hofmann muss als neues Gang-Mitglied noch seine Rolle finden.
Dann kommt der Moment, in dem der ganze Kreuzgang swingt. Viva Voce überrascht mit Stevie Wonders "For once in my Life" und sie schaffen es, die ganze Leichtigkeit des klassischen Funk in das alte Gemäuer zu schütten. Das Publikum schnippt mit den Fingern, wippt mit den füßen und einige wagen es sogar, mitzusingen.
Schwupps, schon kommt der nächste Bruch. Zu "Die Pfade des Herrn " werden die Mikrofone ad acta gelegt, er Psalm 25 verlangt nach gregorianischen Ambiente. Jörg Schwartzmanns platziert sich im Rücken des Publikums, die anderen bleibe auf der Bühne. Der Solist stößt einen Dialog mit dem Chor an und der Wechselgesang lässt musikalische Ornamente durch den hohen Raum ziselieren. Das verlangt Perfektion und Harmonie auf höchstem Niveau.
Dann führt der Fahrstuhl wieder in die Abteilung "Soul-Klassiker". Marvin Gayes Song "Ain't no Mountain high enough" ist eine Rhythmus-Explosion und Viva Voce schaffen es, den treibenden Beat ganz ohne Musik umzusetzen. Jetzt sind die Grenzen der Genres überschritten. Der Saisonauftakt der ehrwürdigen Kreuzgangkonzerte wird zum Popkonzert. Egal. Das Thema ist eine Liebe, die alle Widerstände überwindet. Das ist auch ein Form, den Herren zu lobpreisen und damit ist dieser Song auch ein einem ehemaligen Kloster richtig platziert.
Basti Hupfer ist der Spaßvogel bei Viva Voce. |
Mit "Ich bin a Zimmerer" zu Dions "The Wanderer" darf Basti Hupfer noch mal sein komediantisches Talent unter Beweis stellen, bevor mit Leonard Cohens "Hallelujah" und "You raise me up" die Stimmung wieder in Richtung Besinnung gelenkt wird. Natürlich gibt es noch eine Zugabe. Beim Beatles-Medley ist für jeden Sänger ein Solo drin, nur nicht für Hupfer. Doch dessen Empörung ist nur gespielt und Teil der Show.
MIt Viva Voce die Grenzen der Genre zu überschreiten ist vor allem spaßbetont und bestimmt nicht akademisch. Mit praktischen Beispielen macht das Quinttet deutlich, dass, egal welche Musik intoniert wird, es doch immer um die großen Themen des Lebens geht: Vergänglichkeit, Einsamkeit, Liebe und gegenseitiger Beistand. Protestantismus mit Noten eben.
Material #1: Die Kreuzgangkonzerte - Die Website
Material #2: Die Kreuzgangkonzerte - Die Facebook-Seite
Material #3: Viva Voce - Die Biografie
Material #4: Viva Voce - Die offizielle Website
Material #5: Das Archiv - Der Auftritt im Advent 2013
Material #6: Die Bildergalerie bei Facebook
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