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Die Göttin kam aus Bremen - IV

 

Mit Isabella durch die Toskana des Nordens

Gang 3

Ein Auto mit Lenkradschaltung fahren, dass dies nicht einfach sein wird, war klar. Außerdem weiß ich aus der Erfahrung mit der "Badewanne" von 2018, dass Wagen dieser Altersklasse zum Übersteuern neigen. Deswegen stand von Anfang an eine größere Aufräumrunde auf dem Programm. 

Wer immer noch glaubt, dass das satte und beruhigende "Klack" beim Schließen der Autotüren eine Erfindung von Mercedes-Benz ist, hat noch nie in einer Isabella gesessen. Gepaart mit den weichen aber stabilen Clubsesseln weiß ich jetzt, wie es sich anfühlt, wenn man in Abrahams Schoss sitzt. 

Im krassen Gegensatz dazu verlangt die Kupplung den vollen Einsatz der Beinmuskulatur. Lenkradschaltung mit H-Schema. Kupplung treten, Schalthebel heranziehen und nach oben drücken, erster Gang. Zweiter Gang: Kupplung treten, Hebeln heranziehen und nach unten drücken. Kupplung treten, Hebel in die neutrale Stellung schnellen lassen, Hebel nach vorne oben drücken, dritter Gang In den vierten dann Kupplung treten, Hebel n die neutrale Stellung schnellen lassen und dann Hebel nach vorne unten drücken.


Der Fachmann erkennt am rechten Hebel sofort, dass der erste Gang eingelegt ist.

Soweit die Theorie, die ich gleich zweimal durchschalte und dann kam die Probe aufs Exempel, Motor an und vorwärts raus aus der Parklücke. Wie gesagt, anhand der technischen Daten weiß man, dass dieser Wagen Zuspruch braucht. Was an diesem ersten Abend noch ein wenig Koordination brauchte, waren der Gasfuß und der Kupplungsfuß. Oder lag es eher daran, dass Michael Marx und sein Team die Isabella mit "Känguru-Benzin" betankt hatten? 

Auf jeden Fall hoppelten wir aus der Parkposition heraus und hatten die Gelegenheit, diese wunderbare weiche Federung zu testen, von der später noch mehrfach die Rede sein wird. Aber erst kommt das Lenkrad zur Sprache, denn das ist etwa wagenradgroß und das hat was mit der Physik zu tun.

Den Manta-Fahrern 30 Jahre voraus

Die Isabella bringt nämlich ein staatliches Leergewicht von 1.060 kg mit, aber keine Servolenkung. Um dieses Auto entspannt lenken zu können, braucht man einen ordentliche Hebel, also ein mächtiges Lenkrad. Das ist sogar so groß, dass zwischen Fahrertür und Lenkrad gerade mal zwei fingerbreit Platz ist und damit zu wenig für meine Treckerlenkerpfoten.

Nie gab es eine schönere Begründung, um mit den Ellenbogen auf der Fahrertür zu lenken. Nix da mit die Manta-Fahrer haben diese Haltung in den 80-ern erfunden.

Der Ford Capri II, mit dem wir 2021 unterwegs waren, bringt ein ähnliches Leergewicht und auch keine Servolenkung mit. Damals war ich am Ende der Runde durch das Weserbergland, um die Kurve, Berg rauf, um die Kurve, Berg runter, zweimal um die Kurve und wieder Berg rauf, einfach fertig. Nun ging es wieder durch das Weserbergland, um die Kurve, Berg rauf, um die Kurve, Berg runter, zweimal um die Kurve und wieder Berg rauf, und Rallye-Veteran Heinz Hüter hatte uns gewarnt. Aber mit dieser Steuerung war es nie ein Problem die Route zu bewältigen. Auch die Rennstrecke Bilster Berg nicht, aber später mehr dazu. 


Zwei von fünf Anzeigen funktionieren, mehr braucht der TÜV nicht.

Im Vergleich zu den Italienern, die wir in den letzten Jahren gefahren sind, ist das Armaturenbrett überschaubar. Zwei Kilometerzähler, die nicht funktionieren und ein Tankanzeige, die sich nicht bewegt. Vielleicht liegt das am "Känguru-Benzin"?

Wir hoppeln in die Jahnstraße, doch schon beim Abbiegen in die Schrammstraße geht es flüssiger, Auto rollt ja. Das Anfahren an der Ampel Hullerser Tor geht nicht flüssig, mit etwas Verzögerung, aber schon besser und im Walkemühlenweg rollt der Wagen. In der Fachliteratur hatte ich gelesen, dass man schnell durchschalten soll. Angeblich lässt sich die Isabella im vierten von 50 km/h bis 150 km/h ziehen. Diese Geschwindigkeit werden wir das ganze Wochenende nicht erreichen.

Aber der Motor schnurrt im unteren Drehzahlbereich vor sich hin und fast lautlos rollen wir aus Einbeck in Richtung Dassensen. Was sage ich rollen, schweben meine ich. Wie Michael Marx später anmerken wird, war der alte Borgward auch im Schiffsbau tätig und das würde man den Wagen anmerken.

Schweben im Stile einer Göttin

Das halte ich für marxlos übertrieben. Sicherlich ist das Fahrwerk der Isabella ist nicht so straff wie bei dem italienischen Sportvolkswagen, die wir in den Jahren zuvor gefahren sind. Aber auch nicht so schwammig wie bei der "Badwanne" von 2018. Ich muss nicht befürchten, dass mich das Heck in den Kurve überholen möchte. Der Wagen bleibt in der Spur und die einzige Sorge ist der Gegenverkehr auf den schmalen Straßen oberhalb von Einbeck.


Vier Zylinder, 1,5 l Hubraum und ein Schnurren wie eine satte Katze, mehr braucht es nicht, um den Autor glücklich zu machen.
 

Die Federung schluckt jede Bodenwelle und das Auto schwebt dahin wie eine  Citroen aus der DS, wie eben eine Göttin, nur eben leichtfüßiger und luftiger

Was habe ich neulich gelesen? Wer Oldtimer fährt, ist nicht auf der Suche nach Geschwindigkeit, sondern auf der Suche nach dem besonderen Gefühl. Stimmt und bei der Isabella hält dieses Gefühl bis 75 km/h an. Dann wird es doch recht windig.

In Wellersen drehen wir um und wollen weiter in Richtung Rotenkirchen und Edemissen. Die Isabella ist mit 434 Zentimeter genauso lang wie mein Fiat 500 L, braucht zum Wenden aber deutlich mehr Platz und eben auch Kraft. 

Die Toskana des Nordens

Sonnenschein flutet die goldenen Hügel zwischen Leine- und Ilmetal. Bestückt mit Galeriewäldern. Warmer Fahrtwind säuselt uns ins Ohr auf der kurvigen Strecke. Endlich versteht meine Liebste, warum diese Region die Toskana des Nordens genannt wird.

Als wir in Stöckheim ankommen
, bin ich so vertraut mit dem Wagen, dass ich während der Fahrt dunkle Kapitel aus der automobilen Geschichte des Ortes preis geben. Beim Linksabbiegen vom Frauenanger auf die Kötnerstraße gibt es keine Probleme. Das Anfahren funktioniert. Die alte Dame und ich, wir haben Freundschaft geschlossen. 


Güldenes Sonnenlicht flutet den Parkplatz in der Toskana
des Nordens

Am Ortseingang Drüber sagt meine Liebste: "Natürlich links abbiegen." Also drehen wir noch eine Runde über Buensen, Edemissen und Odagsen. Aber nicht schneller als 70, damit die Göttin nur schnurren muss. Jetzt Marianne Faithfull und Lucy Jordan hören, dass wäre doch zu viel Kitsch und das Radio ist ja defekt.

Der Begriff Cruisen wurde für dieses Auto erfunden 

Am Reinserturm ziehe ich ein erstes Resümee und das fällt semantisch aus. Die Isabella wurde nicht fürs Cruisen gebaut, der Begriff Cruisen wurde für dieses Auto erfunden. Das ist das Gefühl, dass Oldtimerfahrer suchen. Wir haben es oberhalb von Einbeck gefunden. 

Die letzte Frage, die sich an diesem Abend stellt: Wo ist eigentlich der Rückwärtsgang? Schließlich muss der Wagen zurück auf die Parkposition. Der Fachmann und ich suchen drei Minuten, dann wissen wir es. Kupplung treten, Schalthebel rausziehen und nach oben drücken. Die Göttin aus Bremen geht anstandslos schlafen, schließlich wartet am nächsten Tag eine ordentliche Runde durch das Weserbergland und in den Teutoburger Wald.  


 




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#thomaserinnertsich     #spätermehrdazu





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