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Dieser Fotograf ist nur etwas für Erwachsene

  Neu bei Steidl: Zeitaufnahmen von Werner Bartsch Dieses Buch sollte man von hinten nach vorne lesen. Im Nachwort von Stefan Gronert ist der Schlüssel zum Verständnis versteckt und der lautet „Projektionsfläche“. Es ist aber auch zulässig, sich die Fotos anzuschauen, erst dann das Nachwort zu lesen und mit der Zusatzinformation einen erneuten Zugang zum Schaffen von Werner Bartsch zu suchen. Bartsch gehört zu den prägenden Fotografen der Gegenwart. Seit Jahrzehnten lichtet er Zeitgenossen für die großen Publikationen der deutschen Presselandschaft ab. Mit „Zeitaufnahmen“ hat er jetzt im Steidl-Verlag einen Überblick über die letzten 25 Jahre veröffentlicht. Auf 196 liefert er Porträts von und Fotos mit bekannten und unbekannten Mitmenschen ab. Das ungewöhnliche Format von 52 mal 31 Zentimeter auf der Doppelseite schmeichelt dem Auge. Es sind durchweg Aufnahmen im Querformat und die korrespondieren wunderbar mit der Gestaltung. Auch haptisch ist dieses Buch ein Erlebnis. Gele...

Jane Eyre verharrt im Mittelfeld

 Uraufführung des Musicals kann nur bedingt überzeugen Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Diese alte Weisheit gilt zum großen Teil für das neue Musical am Theater Nordhausen. „Jane Eyre“ verharrt im Mittelfeld. Die Inszenierung hat wenige Höhepunkte und einige Schwachstellen. Dabei waren die Erwartungen hochgesteckt, denn das Musical nach dem gleichnamigen Roman von Charlotte Brontë erlebte in Nordhausen seine deutsche Erstaufführung. Am Ende überwiegt die Freude, endlich mal wieder Theater vor großem Publikum erleben zu können. Die Geschichte reiht sich ein in die Gefühlswirren der Romantik. Eine junge Frau mit schwerer Kindheit hat immer noch so viel Liebe in sich, dass sie einen verbitterten älteren Mann wieder auf den rechten Weg führt und am Ende auf die Allee in das gemeinsame Happy End einbiegt. Kommerziell war es der größte Erfolg von Charlotte Brontë. Die vermeintliche Autobiografie wurde 1847 schon kurz nach dem Erscheinen zum Bestseller. Zumindest im ...

Ein leiser Angriff auf den Mythos

Erich Sidler inszeniert "Wagner - Ring des Nibelungen" am DT Göttingen  Dieses Stück ist wohl nötiger denn je. Am Deutschen Theater Göttingen hat Erich Sidler “Wagner - Der Ring des Nibelungen” von Thomas Köck inszeniert. Es geht um die Wirkungsmächtigkeit der Mythen. Die Aufführung ist ein vielschichtiger Kommentar zur Zeit und lässt dabei Raum für die Zuschauer. Vier Opern, 16 Stunden Spielzeit und insgesamt 24 Jahre Schaffenszeit. Der Ring der Nibelungen ist das Opus magnum von Richard Wagner. Das Werk und ihr Schöpfer verschmelzen in der Populärkultur. Seine Fans bezeichnen sich als Wagnerianer und bekennen sich zu ihrem sektenhaften Verhalten. Nicht weniger als die ganze Welt erklären, wollte Wagner hiermit und ausgerechnet der selbst ernannte Punk Schlingensief holte den bayerischen Sachsen aus der Ecke der Untoten. In Zeiten, in denen das Narrativ mehr zählt als die Fakten, ist ein Stück, dass sich mit der Kraft der Mythen beschäftigt, dringend notwendig. Autor Thomas ...

Gemeinsam die Dämonen besiegen

 Sayasaki: Butoh-Tanz im Jungen Theater Eine Choreographie, die Mut macht in diese Zeiten, zeigte das Junge Theater am vergangenen Wochenende. Unter der Leitung von Tadashi Endo war dort in den letzten Wochen „Sayasaki“ entstanden. Dennoch zeigt die Uraufführung ein beeindruckendes Werk mit Schwachstellen. Endo hat den Butoh vor mehr als vierzig Jahren nach Südniedersachsen gebracht. Diese Form des Tanztheaters thematisiert immer wieder den Schmerz in seinen unterschiedlichen Formen. Da ist es also naheliegend, eine Butoh-Choreographie zu Corona zu machen. Ausgehend von der Theorie, dass die Lasten der Pandemie hauptsächlich auf den Schultern der Frauen lasten, hat Endo das Stück mit den Tänzerinnen Virginia Torres Peres, Satoko Shimizu und Natsuko Kono entwickelt.  Tadashi Endo in den wechselnden Rollen das Troll, Dämon oder Virus immerhin als Individuum, die drei Tänzerinnen nur als Kollektiv. Zwei von drei gemeinsam gegen den Dämon Foto: Maciej Rusinek Es ist eine Cho...

Aus der Carmen den Don José gemacht

Ballettpremiere am Theater Nordhausen Endlich wieder Ballett. Das war am Freitagabend die Devise im Theater Nordhausen. Dort stand die Premiere von „Carmen“ auf dem Programm. Nach langer Pause zeigte sich die Choreographie von Ivan Alboresi vor allem als routinierte Inszenierung mit einigen Höhepunkten. Das Publikum bedankte sich am Ende euphorisch für das Ende der Durststrecke. Mit „Carmen“ ist es ähnlich wie mit „Titanic“. Warum soll man sich das anschauen? Das Ende ist doch bestens bekannt. Weil es auf die Erzählweise ankommt und die ist bei Alboresi vor allem ruppig mit Akzentverschiebung, weg von der Titelfigur hin zu Don José, dem Killer von der traurigen Gestalt. Er wolle kein Erzählballett machen, hatte Ivan Alboresi einst im Interview gesagt. Nun hat er es doch getan. Seine „Carmen“ ist es Erzählballett par excellence. Klar arbeitet er sich am Erzählfaden entlang, den Prosper Mérimée einst mit seiner Novelle gelegt hat und die von Georges Bizet zur Oper ausgebaut wurd...

Zwischen Schmunzeln und Gruseln

 Literaturfest Niedersachsen zu Gast im Schloss Herzberg Von der Mikrobeben zur Makroeben und wieder zurück, Von der Familie zum Diktator und zurück ins Zwischenmenschliche. Mit der Lesung "Herrschaftszeiten!" war das Literaturfest Niedersachsen zu Gast im Schloss Herzberg. Die Veranstaltung mit den Schauspielern Franziska Mencz, Ulrich Noethen und dem Trompeter Markus Schwind zeigte alle Facetten zwischen Humor und Grusel. Das war ein Verdienst der erstklassigen Künstler, aber auch der Dramaturgin Christiane Freudenstein. Ihre Zusammenstellung der Texte zeigte die vielen Aspekte von Herrschaft und ihrer Ausübung und die auf eine Art und Weise, die alles andere war als akademisch. Um die Symbole der Macht sollte es gehen. Dafür gibt es wohl keinen passenderen Ort als den rittersaal im Schloss Herzberg. Schließlich hängen hier die Welfen, die das Haus Hannover zur Königswürde gebracht haben. Zwischen dieser absolutistischen Herrlichkeit wirkt Franziska Mencz ein wenig verl...

Wettrinken der Platzhirsche

 An der Grenze zur Klaustrophobie:; stille hunde lesen Glauser Ganz anders und ungewohnt fokussiert. Die Lesung von Glausers "Der alte Zauberer" offenbart die ruhige Seite  der stillen hunde. Mit diesem Wettrinken der Platzhirsche kommt das Duo Huber/Dehler aber eben näher an Glauser heran als eine andere Form wohl gebracht hätte.  Angekündigt hatten die Veranstalter des Mordsharz für die Lesung im Nordhäuser Tabakspeicher einen Tornado, Es war dann eher ein Sturm im Schnapsglas. Dennoch waren alle zufrieden, wohl auch das Publikum, dass sich auf den gewohnten Mix aus Literatur, Improvisation und Klamauk eingestellt hatte. Schließlich war das Duo aus Göttingen nun schon zum dritten Mal im Tabakspeicher und kann auch hier auf eine Fangemeinde bauen. Doch mit den großen Gesten, mit Pömpeln und anderen skurrilen Utensilien wurde es dieses Mal nichts. Der Text, der verbale Kampf zweier Männer und ihre Psychogramme stehen im Mittelpunkt, nebst jeder Menge Schnaps. Der sorgt fü...