Wagner wird überschätzt und Goethe auch
Psychogramm eines Mittelmäßigen – Der Kontrabass in Nordhausen
Seit
30 Jahren gehört „Der Kontrabass“ zu den populärsten Theaterstücken in
deutscher Sprache. Nun hat Frank Sieckel das Ein-Mann-Stück für das
Theater Nordhausen neu inszeniert. Am Ende bleibt ein tiefer Einblick in
die Seele eines Mannes, der an seiner Mittelmäßigkeit verzweifelt.
Die
Bühne ist sparsam möbliert: ein Stuhl, ein Sessel, eine Stereo-Anlage.
Der Raum schallisoliert, damit der Moloch Großstadt draußen bleibt.
Brahms spielt, der Bassist betritt die Bühne durch den Zuschauerraum.
Der Alleindarsteller enthüllt den heimlichen Hauptdarsteller, seinen
Kontrabass. Noch berichtet er über den Reiz und die Möglichkeiten des
Instruments, von der Quart-Stimmung des Viersaiters. Am Kontrabass kommt
niemand vorbei, er ist das Fundament des Orchesters. Ohne ihn verliert
das Ensemble die Orientierung.
Der Musiker und das Objektes des Hasses. Foto: Sieckel |
Doch
die Fassade bröckelt. Zwischen Instrument und Bassist herrscht keine
Liebesbeziehung. Es ist eine Zweckgemeinschaft um sich am
unmusikalischen Vaters und der schwächlichen Mutter zu rächen. Einziger
Lichtpunkt im Leben des verbeamteten Staatsmusikers ist die junge
Sopranist Sarah. Doch die Liebe bleibt unerwidert weil sie geheim
bleibt. Der Bassist redet sich nicht Rage.Der Musiker redet sich in die
Depression. Je länger er spricht, desto deutlicher wird das Ausmaß
seiner Verzweiflung. Versteckt im musikalischen Kollektiv und
verzweifelnd am eigenen Mittelmaß überhöht er die neue Sopranistin als
Zielscheibe seiner Begierde.
Jeder
Mensch ist ein Universum. Im „Kontrabass“ entblättert Frank Sieckel
langsam die dunklen Seiten dieser Galaxie. Auch wenn er anfangs ein
wenig zuviel Präsenz bezeigt, so viele laute Töne spielt, so findet der
Fernsehschauspieler und Theaterproduzent über das Spiel mit dem Publikum
immer besser in die Rolle. Es sind die leisen Momente, wenn die
Verzweiflung in Zynimus umschlägt, die überzeugen. Es sind diese
Momente, die Frank Sieckel mit erstarrter Mine wirken lässt. Das macht
die Intensität seiner Inszenierung aus. Im Spiel von „himmelhoch
jauchzend, zu Tode betrübt“ erarbeitet der gebürtige Nordhäuser die
Wechselbäder der Emotionen, wenn auf Euphorie Depression folgt. Man muss
schon aufpassen, dass man den Schauspieler und seine Rolle auch am Ende
noch sauber trennt.
Mit
der Neuinszenierung ist Frank Sieckel eine neue Intensivierung des
Kontrabasses gelungen. Vielleicht überzeugt das Stück auch, weil Regie,
Inszenierung und Spiel in einer Person vereint sind. So wird Süskinds
Klassiker teilweise zu Sickels Stück. Nur beim Bühnenbild hat der Akteur
auf die Dienste von Roland Winter zurückgegriffen.
Nachtrag: Im Spielplan des Theaters Nordhausen ist das Stück derzeit nicht vertreten. Frank Sieckle ist mit dem Kontrabass aber auf Tournee. Es scheint sein Stück zu sein
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