Ein Stück wie eine Axt
Ein beeindruckender Michael Kohlhaas am TfN
Wenn man Literatur so auf die Bühne bringt, dann darf man sich nicht wundern, dass das Publikum hinterher begeistert ist. Mit seinem "Michael Kohlhaas" hat Moritz Nikolaus Koch am Theater für Niedersachsen eine Inszenierung vorgelegt, die zugleich verstört und begeistert. In der Uraufführung gab es schon zur Pause tosenden Applaus.
Kleist Novelle ist das Synonym für einen Menschen, der ein berechtigtes Anliegen hat, aber bei der Umsetzung jegliches Gefühl für die Verhältnismäßigkeit verloren hat. Berechtigte Empörung schlägt hier in Hass um. Für Kleist ist Kohlhaas das Opfer aristokratischer Ränke und damit ein dunkler Held aufklärerischer Ambitionen gegen staatliche Willkür.
In seiner Bühnenfassung verschiebt Koch die Akzente deutlich. Aus dem Opfer wird schnell ein Täter und damit die Blaupause für einen Wutbürger in der übersteigerten Form. Er ist kein bürgerlicher Don Quichote im Sinne von Ernst Bloch sondern einfach ein arger Wüterich.
Das funktioniert so gut, weil er in Dennis Habermehl einen kongenialen Partner gefunden hat. In Sekundenbruchteilen umschaltend von kühl-zynisch auf tobend-vernichtend drückt er mit seinem Spiel dieser Inszenierung den Stempel auf.
Seine Stimme ist zwar immer am oberen Limit schlägt aber nie um. Mit raumgreifenden Gesten beherrscht er die Bühne und selten hat auf einer deutschen Bühne jemand so überzeugend die Axt geschwungen.
Die Inszenierung beginnt gemächlich. Drei Männer unterhalten sich auf der Vorbühne. Die ist mit Rindenmulch eingedeckt. Der eiserne Vorhang ist unten und fliegende Wolken werden dort projiziert. Das Spiel findet lediglich auf diesem knappen Streife statt. Platzangst ist vorprogrammiert.
Koch hat Kleists Universum auf drei Rollen reduziert. Habermehl darf sich auf den Titelhelden konzentrieren. Abgesehen von einer kleinen Rolle als Pferd ist Oliver Niess für die Klangcollagen zuständig. Für den Rest ist Dieter Wahlbuhl zuständig. Die mehr als zwanzig Personen der Novelle werden auf ein Dreigestirn reduziert. Kohlhaas wird eindeutig zum Zentralgestirn der Aufführung.
Die Vorbühne ist übersichtlich bestückt. Links stehen die Musikinstrumente, in der Mitte ein ein kleiner und ein großer Hackklotz. Hier wird später Habermehl wie ein Berserker wüten. an der Rampe stehen zwei Mikrofone auf Ständer und links und rechts hängen zwei Plakatwände, die im Laufe des Abends vollgekleistert werden.
Wahlberg und Habermehl beginnen mit dem Vortrag. Sie rezitieren die Einleitung und das im Kleist-Sprech. Die Verwendung der antiquierten Sprache erzeugt nicht nur einen Kontrast zum postmodernen Bühnenbild. Das Publikum denkt sich rein in die Vergangenheit irgendwo zwischen Renaissance und Biedermeier.
Im Trab erzählen Habermehl und Wahlbuhl von der Reise nach Leipzig, vom Betrug durch den Junker von Tronka und von der Rückkehr nach Brandenburg. Das Tempo steigert sich schnell auf Galopp. Es wird gleich deutlich, dass es auf dieser schrägen Ebene keinen Halt geben wird. Daran ändern auch die kurzen retardierenden Momente nichts.
Dann greift Habermehl zum ersten Mal zur Axt. Nicht das Modell "Baumarkt, dritte Regalreihe rechts", sondern eine Axt für Männer, eine echte Mordwaffe. Als er auf den Hauklotz eindrischt, staunt das Publikum. Es fliegen Späne.
Habermehl wird noch häufiger auf das Holz einhauen, jedes Mal mit mehr Wut. die Wirkung liegt zwischen beeindruckend und erschreckend. Hier steigert sich jemand in seinen Hass. Habermehl präsentiert auch hier die passende Mimik.
Der protagonist unterliegt vor Gericht und zieht die Konsequenz und die fällt vernichtend aus.
Er ist bereit, für seinen Rachefeldzug Haus und Hof und Familie dranzugeben. Nur kurz kann sein Frau ihn beruhigen. Doch als sie stirbt, inszeniert Moritz Koch ein Inferno mit zwei Darstellern. Mehr braucht es nicht.
Rauch wabert, die Musik donnert, das Stroboskop zuckt und überall wird gebrandschatzt. Habermehl greift mehrfach zum Megafon, um seine Forderungen in die Welt zu brüllen. Der Wutbürger hat sein Forum gewunden. Doch man hegt keine Sympathie mit dem Betrogenen, der das Recht in die eigenen Hände nimmt.
Auch er ist ein Mörder und Koch macht dies eindrucksvoll deutlich. Habermehl gießt sich einen Eimer Theaterblut über den Kopf. Er hat sich nicht die Hände schmutzig gemacht, er badet im Blut. Im Gegenlicht auf dem Hackklotz stehend streckt er die Axt nach vorn. Nicht mehr das Wort und das Recht sind sein Waffen, sondern der blutgetränkte Stahl. Am Schluss schließt sich der Kreis, die Axt wird zum Richtschwert und beendet sein Leben. Wer sich der Axt bemächtigt, kommt durch sie um sein Leben. .
Dieser Kohlhaas ist alles andere als ein Sympathieträger. Mit seiner Inszenierung zertrümmert Moritz Koch alle romantischen Vorstellungen darüber, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen. Neben alle eindrucksvollen Szenen bezieht er damit eindeutig Stellung. Dies ist eine mutige Aussage in Zeiten, in denen das Gewaltmonopol von rechts wie von links in Frage gestellt wird.
Material #1: TfN - Der Spielpan
Material #2: Michael Kohlhaas - Das Stück
Material #3: Michael Kohlhaas - Die Novelle
Wenn man Literatur so auf die Bühne bringt, dann darf man sich nicht wundern, dass das Publikum hinterher begeistert ist. Mit seinem "Michael Kohlhaas" hat Moritz Nikolaus Koch am Theater für Niedersachsen eine Inszenierung vorgelegt, die zugleich verstört und begeistert. In der Uraufführung gab es schon zur Pause tosenden Applaus.
Kleist Novelle ist das Synonym für einen Menschen, der ein berechtigtes Anliegen hat, aber bei der Umsetzung jegliches Gefühl für die Verhältnismäßigkeit verloren hat. Berechtigte Empörung schlägt hier in Hass um. Für Kleist ist Kohlhaas das Opfer aristokratischer Ränke und damit ein dunkler Held aufklärerischer Ambitionen gegen staatliche Willkür.
In seiner Bühnenfassung verschiebt Koch die Akzente deutlich. Aus dem Opfer wird schnell ein Täter und damit die Blaupause für einen Wutbürger in der übersteigerten Form. Er ist kein bürgerlicher Don Quichote im Sinne von Ernst Bloch sondern einfach ein arger Wüterich.
Kohlhaas hat sich nicht die Hände schmutzig gemacht, er badet im Blut. Fotos: TfN |
Seine Stimme ist zwar immer am oberen Limit schlägt aber nie um. Mit raumgreifenden Gesten beherrscht er die Bühne und selten hat auf einer deutschen Bühne jemand so überzeugend die Axt geschwungen.
Die Inszenierung beginnt gemächlich. Drei Männer unterhalten sich auf der Vorbühne. Die ist mit Rindenmulch eingedeckt. Der eiserne Vorhang ist unten und fliegende Wolken werden dort projiziert. Das Spiel findet lediglich auf diesem knappen Streife statt. Platzangst ist vorprogrammiert.
Koch hat Kleists Universum auf drei Rollen reduziert. Habermehl darf sich auf den Titelhelden konzentrieren. Abgesehen von einer kleinen Rolle als Pferd ist Oliver Niess für die Klangcollagen zuständig. Für den Rest ist Dieter Wahlbuhl zuständig. Die mehr als zwanzig Personen der Novelle werden auf ein Dreigestirn reduziert. Kohlhaas wird eindeutig zum Zentralgestirn der Aufführung.
Die Vorbühne ist übersichtlich bestückt. Links stehen die Musikinstrumente, in der Mitte ein ein kleiner und ein großer Hackklotz. Hier wird später Habermehl wie ein Berserker wüten. an der Rampe stehen zwei Mikrofone auf Ständer und links und rechts hängen zwei Plakatwände, die im Laufe des Abends vollgekleistert werden.
Koch reduziert das Kleistsche Universum auf ein Dreigestirn. Fotos: TfN |
Im Trab erzählen Habermehl und Wahlbuhl von der Reise nach Leipzig, vom Betrug durch den Junker von Tronka und von der Rückkehr nach Brandenburg. Das Tempo steigert sich schnell auf Galopp. Es wird gleich deutlich, dass es auf dieser schrägen Ebene keinen Halt geben wird. Daran ändern auch die kurzen retardierenden Momente nichts.
Dann greift Habermehl zum ersten Mal zur Axt. Nicht das Modell "Baumarkt, dritte Regalreihe rechts", sondern eine Axt für Männer, eine echte Mordwaffe. Als er auf den Hauklotz eindrischt, staunt das Publikum. Es fliegen Späne.
Habermehl wird noch häufiger auf das Holz einhauen, jedes Mal mit mehr Wut. die Wirkung liegt zwischen beeindruckend und erschreckend. Hier steigert sich jemand in seinen Hass. Habermehl präsentiert auch hier die passende Mimik.
Der protagonist unterliegt vor Gericht und zieht die Konsequenz und die fällt vernichtend aus.
Er ist bereit, für seinen Rachefeldzug Haus und Hof und Familie dranzugeben. Nur kurz kann sein Frau ihn beruhigen. Doch als sie stirbt, inszeniert Moritz Koch ein Inferno mit zwei Darstellern. Mehr braucht es nicht.
Die Axt steht am Ende.
Alle Fotos: TfN
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Auch er ist ein Mörder und Koch macht dies eindrucksvoll deutlich. Habermehl gießt sich einen Eimer Theaterblut über den Kopf. Er hat sich nicht die Hände schmutzig gemacht, er badet im Blut. Im Gegenlicht auf dem Hackklotz stehend streckt er die Axt nach vorn. Nicht mehr das Wort und das Recht sind sein Waffen, sondern der blutgetränkte Stahl. Am Schluss schließt sich der Kreis, die Axt wird zum Richtschwert und beendet sein Leben. Wer sich der Axt bemächtigt, kommt durch sie um sein Leben. .
Dieser Kohlhaas ist alles andere als ein Sympathieträger. Mit seiner Inszenierung zertrümmert Moritz Koch alle romantischen Vorstellungen darüber, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen. Neben alle eindrucksvollen Szenen bezieht er damit eindeutig Stellung. Dies ist eine mutige Aussage in Zeiten, in denen das Gewaltmonopol von rechts wie von links in Frage gestellt wird.
Material #1: TfN - Der Spielpan
Material #2: Michael Kohlhaas - Das Stück
Material #3: Michael Kohlhaas - Die Novelle
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