Direkt zum Hauptbereich

Einheit in der Vielfalt

Selbst gemacht: Tänzerinnen und Tänzer zeigen eigene Werke

Soviel Vielfalt ist selten. Die dritte Auflage der "Freiträume" präsentiert am Theater Nordhausen fünf Choreographien sehr unterschiedlicher Art. Dabei kann nicht jede überzeugen.

Die Mitarbeiter werden zum Chef. Zum Kammerballett "Freiträume" darf die Compagnie eigene Werke erarbeiten. Die Präsentation im Theater unterm Dach hat durchaus Wundertüten-Flair. Auch in diesem Jahr gab es Stück von ambitioniert bis ausgereift.

Unbreak heißt zusammenfügen und heilen.
Alle Fotos: TNLos
Körper in Bewegung und in Interaktion. Impulse, die weitergegeben werden, die aufgegriffen  und verarbeitet werden, um zum Schluss etwas anderes zu ergeben. Das ist das Kennzeichen von "Unbreak" von Ruan Martins. Das wogende Tutti ergibt faszinierende Bilder, denen man die Zusammenarbeit mit Ivan Alboresi anmerkt. Drei Tänzerinnen und zwei Tänzer fügen sich immer wieder zusammen, brechen auseinander und heilen sich dann gegenseitig. Die stengen Cello-Klänge sorgen dafür, dass sich das Publikum in den Bewegungen verliert. Das ist durchaus eine reife Leistung des jungen Brasilianers.

Den Kontrapunkt zum ersten Philosophieren über das Leben setzt "G-O-S-H" von Keiko Okawa. In ihrer heitern Choreographie setzt sie klar auf die Freude an der Bewegung. Gekennzeichnet ist das Stück durch witzige Momente. Da sind mal vier Arme zu sehen, mal drei, mal schwebt Eleonora Peperoni, während Partner David Nigro unsichtbar wird.

Diese Momente sind zwar flüchtig, aber es kommt immer wieder Ersatz und neues Futter für die Augen. Einen Pas de deux mit Spitze und Röckchen zu wummernden Disco-Beats tanzen zu lassen, das zeugt schon von Mut.

Gabriela Finardi tanz den Sohn.
Alle Fotos: TNLos!
Weniger wäre mehr gewesen, mag man bei "Limits to Growth" von David Nigro denken. Es geht um Verhaltensweisen, die nicht nur vor der Außenwelt verborgen werden, die auch das Ego erschrecken. Zum Schluss verstört man sich selbst.

Es ist nicht das Tänzerische. Da gleicht Nigros Beitrag dem ersten Werk des Abends. Die Dramaturgie weist Schwächen auf. In drei Teile gegliedert, beginnt jedes Mal eine neue Erzählung, der die Anbindung an die Vorgängerin fehlt. Somit zerfällt die Choreographie in ihre Einzelteile.

Das Stück heißt zwar "U Figghiu", der Sohn, aber es ist ein Solo für eine Tänzerin. Gabriela Finardi  feiert in der Choreographie von Andrea Zinnato ein Gottesdienst des Körpers. Ruhig und gelassen und ohne Effekte zeigt sie, was so alles möglich ist. Die räumliche Enge im Theater unterm Dach verstärkt die intensive Wirkung

Wie setzt man einen Gegenstand in Ballett um? Dominic Bisson zeigt es mit "Rubik´s Cube". Diese Choreographie  ist ohne Frage die ausgefeiltestes des Abend. Musik, Tanz, Gestik, Licht und Musik zeigen sich als Einheit. Das beginnt mit den farbigen Söckchen des Ensemble in den prägnanten Zauberwürfelfarbe und endet noch lange nicht bei den charakteristischen Handbewegungen, die das Drehen des Würfels nachahmt.

Neun Tänzer, vier Farben, ein Würfel.
Alle Fotos: TNLos!
Die neun Tänzerinnen und Tänzer starten im Quadrat, das sich auflöst und neu formiert. Der Würfel fällt auseinander und wird wieder zusammengefügt. Selbst die kleinen Tricks der Rubikaner lässt Bisson nicht aus und bringt sie auf die kleine Bühne. Jeder, der das Gerät jemals, in der Hand hatte, fühlt an dieser Stelle mit.

Das Schwarzlicht geht an, die Spots aus. Die Farben verschwinden und die Teile des Würfels werden gleichförmig. Fast unbemerkt kommt ein großartiger Trick. Langsam wird das Bühnenlicht wieder eingeblendet. Die Farben kehren zurück und alle bekommen ihre Identität wieder. Dazu liefert David Nigro Klangcollagen, die an Industrial Beats der frühen 80-er Jahren und an Cabaret Voltaire erinnern. Großartig.

Der Zauberwürfel ist Geometrie, die sich durch Bewegung immer wieder neu findet. Ballett ist auch Bewegung und somit hat Dominic Bisson endlich das Wesen des Geräts ergründet. Seine Choreographie ist fraglos die stärkste in dieser Aufführung.




Material #1: Theater Nordhausen - Der Spielplan
Material #2: Freiträume 3 - Der Abend




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

Vier Cellisten beim Kammerkonzert im Kunsthaus Wer Piazzolla spielt, kann kein schlechter Mensch sein. Schon gar nicht, wenn´s gleich zweimal Piazzolla ist. Bis es soweit ist, darf das Publikum einige andere Highlights beim Kammerkonzert der vier Cellisten im Kunsthaus Meyenburg erleben. Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause gibt es bedächtige Romantik, nach der Pause wird es rhythmusbetont. Kein Grund zur Besorgnis: Das Cello schafft das schon. Das Instrument und das Ensemble bringen dafür ausreichend Potential mit. Erst klassisch, .... Den Auftakt macht Joseph Haydn und sein "Divertimento in D-Dur". Dies hat er einst für eben die Besetzung des Abends geschrieben, für vier Celli. Im zweiten Satz ist das Quartett das erste Mal gefordert. Das Allegro di molto verlangt ein präzises Zusammenspiel, damit der Dialog der Instrument funktioniert und er funktioniert. Im Allegretto des anschließenden Menuetts zeigt Sebastian Hennemann, dass ein Cello tanzen und hüpfen kann...

Hier zerbricht mehr als nur ein Krug

Beichl verschiebt Kleist in die Gegenwart  Der Meister des Klischees und der Plattitüden überrascht positiv. Mit seinem "Zerbrochenen Krug" am Deutschen Theater Göttingen legt Moritz  Beichl legt eine Inszenierung vor, die Themen zu Tage fördert, die ansonsten unter dem Deckel das Schwanks verborgen bleiben. Damit macht er aus dem Klassiker der Aufklärung ein Stück für die Gegenwart. Premiere war am 7. Dezember. Dabei kann er auf starke Besetzungen in den Nebenrollen bauen. In Bastian Dulitsch als Gerichtsschreiber Licht und Leonard Wilhelm als  Bauernsohn Ruprecht Tümpel überzeugen mit starken Darstellungen von Menschen, die sich auf ihre Weise gegen das ancien régime wehren und damit erfolgreich sind. Am Ende steht eine neue Ordnung, die menschengemacht ist. Denn letztendlich siegt die Macht der Liebe über die Selbstherrlichkeit des Dorfrichter Adam. Als Intro wird auf den Gaze-Vorhang ein Video-Clip projiziert, in dem sich Eve und Rupprecht knutschen und kusch...