Hausmusik für 800
Händel & Co mit Cembalo & Flöte in der PS.Halle
Nach einem guten Konzert verzeiht man seinen ärgsten Feinden und sogar den eigenen Verwandten. Nach diesem Konzert verzeiht man auch dem Rest der Welt und sogar dem Finanzamt. Bei "Händel & Co." in der PS.Halle in Einbeck widerlegten Dorothee Oberlinger und Laurence Cummings die Vermutung, dass solch ein Kombination limitiert sei, sehr eindrücklich.Die Flöte erfreute sich gerade im Großbritannien des 17. und 18. Jahrhunderts enormer Beliebtheit. Dies lag sicherlich an der einfachen Handhabung dieses Instrumentes. Aber anderseits galt die Flöte seinerzeit als das Instrument, das der menschlichen Stimme am nächsten käme.
Mit eben jener Kombination Flöte & Cembalo eignete sich das aufstrebende Bürgertum die Musik der großen Häuser und Komponisten an. Damit steht auch dieses Konzert in der Tradition historischer Aufführungspraxis. Flöte und Cembalo sind ein Teil der kulturellen Emanzipation und wohl der Beginn der kleinbürgerlichen Hausmusik. Zum Glück waren in der PS.Halle Weltklasse-Interpreten am Start.
Man sieht es nicht auf den ersten Blick, aber Cummings ist ein Magier. Alle Fotos: Thomas Kügler |
Damals begeisterte die überraschende Vielfalt der Klangfarben, jetzt liegt der Fokus auf der Gegenüberstellung der unterschiedlichen Stimmungen. Das Konzert lebt vom Kontrast zwischen weichem, gesetztem aber strukturiertem Spiel Cummings und dem lebhaften und verspielten Vortrag Oberlingers. Hier steht Ruhe und Reflektion, dort dominiert ausgelassene Freude. Dennoch finden beide immer wieder zusammen. Diese Gegensätze erhöhen letztendlich Dichte und Intensität der Werke. das spüren auch die 800 Zuhörer in der ausverkauften PS.Halle.
Cummings ist nicht nur einer der besten Cembalisten. Er ist ein Magier und streichelt die Töne gewissermaßen aus dem Instrument heraus. Schon im Präludium zu "A New Ground d-Moll" bleibt die Zeit stehen und das Publikum ist tief entspannt im Ying und Yang. Jeder einzelne Ton umhüllt die Zuhörer und wiegt sie in Harmonie.
Dann setzt die Altflöte ein. Oberlinger gelingt hier ein erstaunlich agiles Spiel mit dem behäbigen Instrumen. Ihre Melodien bewegen sich geradezu tänzerisch über dem Basso continuo. Dieser Eindruck verstärkt sich, als Oberlinger auf die C-Blockflöte umsteigt. Dieser Kontrast zwischen Blasinstrument und Cembalo belebt den ganzen Abend.
Händels Sonate F-Dur war eigentlich für Geige und Cembalo komponiert. Aber mit Flöte und Cembalo funktioniert sie genauso gut. Während Cummings im Largo wieder seine Instrument streichelt, gelingt Oberlinger in den beiden Allegri etwas außergewöhnliches. Sie spielt mit tremolo, just so wie sonst nur eine Geige.
Konzentriert und locker zugleich |
Ebenso verspielt zeigt sich Purcell in "A new Scotch tune" und den anschließenden "A New Irish tune". Der Frohsinn steckt wohl. Auf jeden Fall erheitert Cummings das Publikum als brummender Dudelsack. Hochkultur und Volksmusik gehen hier eine belebende Symbiose ein.
Mit Telemanns Fantasia Nr. 1 A-Dur gehört die Bühne ganz allein Dorothee Oberlinger. Hier wird die unterschiedliche Anlage des Spiels noch einmal deutlich. Während Cummings auf den weichen Ton setzt, kann Oberlinger in der Fantasie mit klaren und konturierten Spiel begeistern. Das gibt dem filigranen Klang die nötige Transparenz. Jeder einzelne Ton steht für sich.
Dass es auch anders herum geht, zeigt die zweite Zugabe mit einer Händel-Arie. Ja, die Flöte ist der menschlichen Stimme nah, aber hier ist sie zurückhaltend und vorsichtig, während Cummings am Cembalo die triumphierenden Töne anschlägt.
Zwei Instrumente und trotzdem ein ganzes Universum. Das ist nur dank des außergewöhnlichen Könnens der beiden Musiker und ihres ähnlichen Verständnisses von Musik möglich.
Material #1: Händel - Die Festspiele
Material #2: Händel & Co. - Das Konzert
Material #3: Oberlinger & Cummings - Das Konzert 2015
Material #4: Laurence Cummings - Die Biografie
Material #5: Laurence Cummings - Die Website
Material #6: Dorothee Oberlinger - Die Biografie
Material #7: Dorothee Oberlinger - Die Website
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